Digitale Zwillinge in der Fertigung (1)
Digitale Zwillinge sind virtuelle Modelle von Maschinen, Systemen oder Prozessen, die die Funktionen des Originals genau reproduzieren. Sie dienen der Simulation in unterschiedlichen Umgebungen, Funktionszusammenhängen und Engpasssituationen. Dadurch lassen sich nicht nur viel Zeit und Geld einsparen, sondern auch Schäden an Mensch und Umwelt vermeiden. Im ersten Teil der Workshopserie zeigen wir, welche Vorüberlegungen Sie vor der Einführung von digitalen Zwillingen anstellen sollten und was bei der Auswahl der Infrastruktur zu beachten ist.
Digitale Zwillinge (DZ) sind vor allem für produzierende Branchen wie beispielsweise der Metallurgie, dem Bergbau, dem verarbeitenden Gewerbe oder dem Energiesektor spannend. Der Grund dafür liegt in einer deutlich höheren Performance oder einem geringeren Verschleißanteil, ohne dass kostspielige Industrieanlagen dafür ausgetauscht oder repariert werden müssen.
Ein digitaler Zwilling verschmilzt Design-, CAD-, Simulations- und Sensordaten, um eine digitale Nachbildung in 3D des Verhaltens einer Anlage, eines Systems oder eines Teils davon zu erhalten. Mithilfe dieses DZ lassen sich dann beliebig viele Szenarien für unternehmerische Entscheidungen durchspielen.
Kopie der Welt
Um einen digitalen Zwilling eines Produktionsprozesses oder Produkts zu erstellen, sind die jeweils relevanten Daten zu erheben und zu verwenden, die die Mathematik und Physik hinter dem Projekt definieren. Sobald alle Details ausgearbeitet sind, lässt sich in einer digitalen Umgebung ein virtuelles Modell erstellen. In der Folge tragen die Entwickler digitaler Zwillinge alle Details ein, bis sie sicher sind, dass das Modell genau wie die realen Gegenstücke funktioniert. Der nächste Schritt besteht darin, IoT-Sensoren in den relevanten Bereichen oder der gesamten Produktionslinie zu installieren, um mehr Daten zu generieren, die der DZ in Echtzeit anwendet.
Auf diese Weise kann der DZ alle Prozesse kopieren und einen detaillierten Einblick in jedes einzelne Element gewähren. Anschließend lässt sich die Umgebung nutzen, um Erkenntnisse zu gewinnen, die den Anwendern dabei helfen, ihre Performance zu verbessern beziehungsweise bessere Ergebnisse in der realen Welt zu erzielen. Das Erstaunliche an dieser Technologie ist, dass sie ein System beliebiger Komplexität bewältigen kann. Solange die Anwender über die richtigen Daten verfügen, kann das virtuelle Modell genaue Vorhersagen für die reale Welt treffen. Die Technologie qualifiziert sich besonders für die Prototypenerstellung, da sie Design- als auch andere Probleme frühzeitig aufzeigt. Mit einem DZ können sich Unternehmen zudem schnell an veränderte Marktbedingungen und Kundenanforderungen anpassen und die Produktion je nach Bedarf vergrößern oder verkleinern.
Wichtige Vorüberlegungen
Digitale Zwillinge und die dazugehörige Sensor- und Softwaretechnologie sind heute weitaus kostengünstiger als noch vor einigen Jahren. Dies hat den Einsatz fabrikbasierter DZs deutlich erleichtert. Viele kleinere Hersteller sind nun auch in der Lage, Technologien zu erwerben, die sich in ähnlichen Umgebungen erfolgreich einsetzen lassen und eine nachgewiesene Erfolgsbilanz vorweisen.
Das Wichtigste, was Unternehmen berücksichtigen müssen, ist die Art und Weise, wie sie die Ausrüstung und Infrastruktur integrieren und gleichzeitig sicherstellen, dass der DZ den individuellen Anforderungen jeder Abteilung gerecht wird. Die Einbeziehung aller Beteiligten in die Implementierung und Gestaltung digitaler Zwillinge von Anfang an ist von entscheidender Bedeutung.
Ein DZ fungiert als Informationszentrum, sammelt und beobachtet Messwerte aus verschiedenen Datenquellen. Dadurch können die Anwender analysieren, wie verschiedene Assets auf eine bestimmte Weise zusammenarbeiten, die manuell nur schwer zu erfassen sind. Ein weiterer wichtiger Schritt besteht darin, mögliche Datenquellen im Hinblick des Umfangs eines Projekts festzulegen. Um genau zu bestimmen, wie viele Datenquellen erforderlich sind, ist es notwendig, die Anzahl der in den digitalen Zwilling eingebundenen Assets zu bestimmen.
Auswahl der Infrastruktur
Obwohl digitale Zwillinge in digitalisierten Umgebungen existieren, verlangen sie dennoch nach einer realen Infrastruktur, um zu funktionieren. Jedes Asset benötigt eine Möglichkeit, sich mit dem Netzwerk der Zwillinge zu verbinden. Hier kommt die IoT-Technologie ins Spiel, die die effektive Integration und Verwaltung von Geräten erheblich erleichtert.
Dafür sind unter anderem Sensoren notwendig, um Daten aus der physischen Umgebung zu sammeln. Für die Speicherung aller relevanten Informationen benötigen IT-Teams zudem eine zentrale Plattform. Einige IT-Verantwortliche bevorzugen die Installation solcher Plattformen auf physischen Servern. Im Gegensatz dazu nutzen andere externe Systeme, die Visualisierungen in der Cloud generieren.
Des Weiteren steuert ein Datenübertragungsmedium die Daten zwischen den Sensoren, der zentralen Plattform und allen Geräten, die die Anwender bedienen. WLAN oder Bluetooth sind einfach zu implementieren, aber auch Ethernet-Kabel können eine praktische Lösung darstellen.
ln/jp/Otto Geissler
Im zweiten Teil der Workshopserie schildern wir einige Anwendungsfälle in der Produktion, etwa das Ausarbeiten von Use Cases bei Tests und Markteinführung. Im dritten und letzten Teil geht es darum, wie digitale Zwillinge zu einem verbesserten Datenmanagement führen und bei der Schulung von Mitarbeitern helfen können.