Die Top-5-Herausforderungen im Edge-Computing
Edge-Computing revolutioniert die Prozessoptimierung und Produktentwicklung, doch die Einführung birgt Herausforderungen. Eine Studie des BMWK identifiziert fünf Haupthürden: Management von Edge-Geräten, fehlende Interoperabilitätsstandards, unreife Datensouveränitätslösungen, Fachkräftemangel und Integrationsprobleme. Wie unser Artikel zeigt, können Organisationen diese Probleme durch gezielte Maßnahmen überwinden und die Vorteile der Technologie voll ausschöpfen.
Edge Computing bietet im Mittelstand erhebliche Vorteile bei der Prozessoptimierung und der Entwicklung innovativer Produkte. Um das volle Potenzial dieser Technologie auszuschöpfen, gilt es jedoch einige Herausforderungen zu bewältigen, insbesondere in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU). Eine vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) beauftragte Studie unterstützt KMU bei der Entwicklung und Implementierung eigener Edge-Computing-Anwendungsfälle. Die Studie "Datenwirtschaft und Edge-Computing" zeigt, wie Unternehmen durch die sichere und effiziente Nutzung von Edge-Computing-Daten ihre Geschäftsprozesse optimieren, Kosten senken und höhere Gewinne erzielen können.
Die Untersuchung des BMWK identifizierte fünf Hauptherausforderungen im Edge Computing, basierend auf der Analyse von 37 vordefinierten Bewertungen und Potenzialen durch 30 Early Adopters aus verschiedenen Branchen. Diese umfassen technische und organisatorische Aspekte, wie das Management und die Orchestrierung von Edge-Geräten sowie fehlende Standards zur Portabilität und Interoperabilität von Daten und Komponenten. Weitere Herausforderungen sind der geringe Reifegrad technischer Werkzeuge zur Datensouveränität, der Fachkräftemangel und Vorbehalte bei der Integration in bestehende Prozesse.
Management und Orchestrierung von Edge-Geräten
Die Verwaltung und Orchestrierung von Edge-Geräten stellt das größte Hindernis dar. Dies umfasst Konfiguration, Registrierung, Updates, Überwachung sowie Deaktivierung und Entfernung von Edge-Devices. Die technische Komplexität wird durch die Heterogenität und Verteilung der einzelnen Komponenten erhöht, insbesondere bei Softwareupdates und der Überwachung der Systemintegrität und Leistung. Für mittelständische Unternehmen in datenintensiven Branchen wie Fertigung, Gesundheitswesen und Telekommunikation ist ein zentrales Werkzeug zur übersichtlichen Verwaltung und Orchestrierung verschiedener Systeme unerlässlich. Automatisierungstools und Plattformen wie Kubernetes können die Verwaltung und Standardisierung der Edge-Infrastruktur vereinfachen, die Effizienz steigern sowie Skalierbarkeit und Flexibilität für wachsende Netzwerke gewährleisten.
Standards für Portabilität und Interoperabilität von Daten
Die fehlenden Standards für Interoperabilität und Portabilität wurden als zweitgrößte Hürde identifiziert. Interoperabilität ermöglicht die Kommunikation zwischen verschiedenen Geräten und Diensten, während Portabilität die Verschiebung von Daten und Diensten zwischen Infrastrukturkomponenten beschreibt. Die hohe Heterogenität bei Hardware, Software und Technologien erfordert Interoperabilität in Kommunikationsprotokollen, Geräteidentifizierung, Nomenklatur und Datenformaten – all dies erschwert die Integration und den Datenaustausch. Die Entwicklung offener Standards und Schnittstellen, gefördert durch Initiativen wie das Edge Computing Consortium und das OpenFog Consortium, ist entscheidend. Unternehmen sollten sich an diesen Initiativen beteiligen oder Lösungen unterstützen, die diese Standards fördern, um die Interoperabilität von Daten zu verbessern und die Integration von Edge-Computing-Tools in bestehende Systeme zu erleichtern.
Datensouveränität von Kontrolle bis Verschlüsselung
Die technische Umsetzung von Datensouveränität stellt eine erhebliche Herausforderung dar. Datensouveränität beschreibt die Fähigkeit des Datengebers, die Nutzung der erhobenen Daten auch nach deren Weitergabe an Dritte zu kontrollieren. Viele derzeit verfügbare technische Instrumente zur Durchsetzung von Datensouveränität, wie Gaia-X oder IDSA, sind noch unausgereift – insbesondere wenn es um sichere Datenverarbeitung und -speicherung geht, die gewährleisten sollen, dass Daten nur gemäß den Vorgaben des Dateninhabers genutzt werden. Investitionen in fortschrittliche Verschlüsselungstechnologien und ausfallsichere Datenspeicherlösungen sind notwendig. Ebenso wichtig ist die Entwicklung und Implementierung von Richtlinien zur Datenverarbeitung und -sicherheit. Unternehmen sollten umfassende Datenschutzrichtlinien, starke Verschlüsselungstechnologien, strenge Zugriffskontrollen, regelmäßige Schulungen, Datensicherheitsaudits sowie Techniken zur Datenminimierung, Anonymisierung und Pseudonymisierung entwickeln und eng mit Technologieanbietern zusammenarbeiten, um die Datensouveränität zu gewährleisten.
Fehlende IT-Spezialisten und Know-how
Der Fachkräftemangel stellt die größte nicht-technische Barriere dar. Technologien wie Edge Computing, Cloud Computing, IoT und KI sind relativ neu, weshalb es an Fachkräften mit dem erforderlichen Spezialwissen mangelt. Laut Bitkom hat sich der Fachkräftemangel in der IT in den letzten Jahren stetig verschärft; allein 2022 fehlten 137.000 IT-Expertinnen und -Experten branchenübergreifend. Dieser Mangel erschwert es Unternehmen, die notwendigen Fähigkeiten zur Implementierung und Verwaltung von Edge-Computing-Lösungen zu erwerben und zu erhalten. Eine vielversprechende Lösung ist die Förderung von Aus- und Weiterbildungsprogrammen im Bereich Edge Computing. Unternehmen können durch Partnerschaften mit Bildungseinrichtungen und interne Schulungsprogramme sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter das erforderliche Wissen erwerben. Externe Experten und Berater können den Wissenstransfer unterstützen und den Fachkräftemangel überbrücken.
Herausforderungen bei der Integration in aktuelle Systeme
Eine bedeutende organisatorische Herausforderung besteht in der Integration neuartiger Edge-Computing-Anwendungen in bestehende Prozessabläufe. Oftmals übernehmen diese neuen Anwendungen nur spezifische Teilaufgaben, sodass existierende Systeme nicht vollständig abgelöst werden. Dies kann bestehende Arbeitsabläufe stören, da die technische Einbindung häufig die Überwindung proprietärer Schnittstellen und Datenmodelle erfordert, was zu erheblichen Umstellungen in den Betriebsabläufen und einer geringeren Akzeptanz bei den Mitarbeitenden führen kann. Eine schrittweise Integration von Edge-Computing-Lösungen kann Vorbehalte mindern. Pilotprojekte ermöglichen es, die Technologie begrenzt zu testen und erste Erfahrungen zu sammeln. Iterative Anpassungen bestehender Prozesse tragen dazu bei, die Integration reibungsloser zu gestalten. Durch sorgfältige Planung und Kommunikation können Bedenken und Widerstände bei den Mitarbeitenden reduziert werden.
Studie bestätigt Bedarf an lokaler Datenverarbeitung
Trotz der Herausforderungen ist Edge Computing unverzichtbar für die digitale Transformation im DACH-Raum, wie auch eine aktuelle Studie von gridscale, techconsult und eco zeigt. 53 Prozent der befragten Unternehmen erkennen einen wachsenden Bedarf an lokaler Datenverarbeitung, getrieben durch steigende Anforderungen an Datensicherheit, Datensouveränität und die Zunahme latenzsensibler Anwendungen. 87 Prozent der IT-Entscheider halten ein einheitliches Management von Edge- und Cloudinfrastrukturen für essenziell. Die Studie, die mit IT-Entscheidern in über 200 Unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz durchgeführt wurde, verdeutlicht die Bedeutung von Edge Computing für die Digitalisierung.
Der steigende Bedarf an lokaler Datenverarbeitung wird durch mehrere Faktoren beeinflusst. Über 76 Prozent der Unternehmen berichten von einem zunehmenden Datenvolumen, während 81 Prozent eine bessere Performance durch niedrigere Latenzen anstreben. Auch steigende Kosten für die Datenübertragung (54 Prozent) treiben den Bedarf voran. Datensicherheit und Datensouveränität sind zentrale Treiber, wobei 71 Prozent der Unternehmen wachsende Anforderungen an die Datensicherheit und 66 Prozent Datensouveränität betonen. 69 Prozent sehen Nachhaltigkeit als entscheidend an. Zudem verzeichnen 57 Prozent der Unternehmen einen Anstieg latenzsensibler Anwendungen, was die Erweiterung der Edge-Computing-Kapazitäten notwendig macht. 87 Prozent der Unternehmen betonen die Wichtigkeit eines einheitlichen Managements von Edge- und Cloud-Diensten, wobei mittlere und große Unternehmen überregionale Cloud-Anbieter und kleinere Firmen lokale Dienstleister bevorzugen.
Fazit
Edge Computing bietet erhebliche Vorteile für den Mittelstand, insbesondere bei der Prozessoptimierung und der Entwicklung innovativer Produkte. Trotz seines Potenzials gibt es jedoch noch viele Wissenslücken und Herausforderungen, die primär kleine und mittelständische Unternehmen bewältigen müssen. Mit gezielten Maßnahmen wie der Entwicklung von Standards, der Förderung von Aus- und Weiterbildungsprogrammen und der schrittweisen Integration von Edge-Computing-Werkzeugen in bestehende Prozesse können Unternehmen die technischen und organisatorischen Hürden überwinden.
ln/Henrik Hasenkamp, CEO von gridscale