Langzeitarchivierung: Vom Band in die dezentrale Cloud
Bandspeicher sind nach wie vor für die Langzeitarchivierung im Einsatz, stoßen jedoch angesichts wachsender Datenmengen an ihre Grenzen. Dezentraler Cloudspeicher bietet eine zeitgemäße und ausfallsichere Alternative. Im Vergleich zu zentralisierten Cloud-Setups der Hyperscaler verspricht der dezentrale Ansatz mehr Flexibilität und verringert die Abhängigkeit von großen Anbietern. Unser Fachartikel erklärt die technischen Herausforderungen und den Übergang zur dezentralen Infrastruktur.
Die Nutzung von Bandspeichern hat eine lange Tradition und ist nach wie vor in bestimmten Branchen wie der Filmproduktion und dem Gesundheitswesen verbreitet. Dort dient sie vor allem zur Archivierung von selten benötigten, aber wertvollen Datenbeständen. Auch im Finanz- und Forschungssektor kommen Bandsysteme für langfristige Backups zum Einsatz, die über viele Jahre aufbewahrt werden sollen.
Die Wiederherstellung von Archivdaten aus dem Bandspeicher kann je nach Bandposition 20 bis 120 Minuten dauern. Im Vergleich dazu ermöglichen dezentrale Cloudsysteme bei kleineren Datensätzen durch parallele Zugriffe potenziell Antwortzeiten im Millisekunden- bis Sekundenbereich. Für größere Datenmengen ist die Dauer indessen abhängig von Faktoren wie der Bandbreite und der geografischen Entfernung der Speicherknoten. Bei Bandspeichern entfällt dieser geografische Einfluss, da die Daten in der Regel lokal oder zentral archiviert sind. Dafür kann der Zugriff auf extern gelagerte Bänder längere Wartezeiten verursachen.
Bandlaufwerke unterliegen dabei wie alle mechanischen Geräte einem gewissen Verschleiß und sollten im Laufe der Zeit durch neuere LTO-Generationen ersetzt werden. Immerhin: Moderne LTO-Laufwerke bieten Abwärtskompatibilität zu Daten von zwei Vorgängerversionen, wodurch die langfristige Nutzung und Lesbarkeit von Bandspeichern gewährleistet bleibt.
Dezentrale Cloudspeicher: Eine leistungsfähige Alternative
Moderne dezentrale Cloudspeicher heben sich durch ihre verteilte Architektur und spezifische Sicherheitsmechanismen sowohl von traditionellen Bandspeichern als auch von den zentralisierten Angeboten großer Hyperscaler ab. Ein entscheidender Vorteil ist ihre hohe Ausfallsicherheit und Skalierbarkeit. Bei Bedarf lassen sich neue Speicherknoten nahtlos hinzufügen, was eine flexible Anpassung an wachsende Datenmengen ermöglicht, ohne die Gesamtperformance zu beeinträchtigen.
IT-Administratoren profitieren von der automatisierten Fehlerkorrektur: Fällt ein Speicherknoten aus, rekonstruiert das System die Daten auf anderen Nodes ohne manuelle Eingriffe. Die Wiederherstellungszeit liegt typischerweise bei wenigen Stunden. Moderne Systeme erreichen eine Verfügbarkeit von 99,99 Prozent, was einer maximalen (ungeplanten) Ausfallzeit von weniger als einer Stunde pro Jahr entspricht.
Ein weiterer signifikanter Vorteil dezentraler Cloudspeicher ist die Reduzierung des Vendor Lock-in-Risikos. Im Gegensatz zu proprietären Lösungen großer Anbieter basieren viele dezentrale Systeme auf offenen Standards und Protokollen. Dies erleichtert nicht nur die Integration in bestehende IT-Infrastrukturen, sondern ermöglicht auch einen flexibleren Wechsel zwischen verschiedenen Anbietern oder sogar die Rückmigration der Daten in On-Premises-Systeme, falls nötig.
Vorbereitungsphase: Bestandsaufnahme und Planung
Die Migration von Band- zu Cloudspeicher ist ein bewährter Prozess, den viele Unternehmen bereits erfolgreich gemeistert haben. Egal, ob intern umgesetzt oder mit Unterstützung von spezialisierten Partnern – die hier beschriebenen Schritte bieten eine klare Orientierung für einen reibungslosen Übergang.
Die erste Phase der Migration umfasst eine gründliche Analyse und Kategorisierung der Daten. Zunächst steht eine Bestandsaufnahme der Bandarchive an: Analysieren Sie die gespeicherten Daten und kategorisieren Sie sie nach Zugriffshäufigkeit, Relevanz für das Tagesgeschäft und spezifischen Compliance-Anforderungen. Daten, auf die selten zugegriffen wird, lassen sich als Archivdaten in günstige Cold-Storage-Tiers migrieren, während geschäftskritische Daten auf schnellere Cloud-Speicheroptionen umziehen sollten. Erstellen Sie dann einen detaillierten Migrationsplan. Setzen Sie klare Meilensteine, wie beispielsweise "Erfolgreiche Migration der ersten 500 GByte Daten innerhalb von zwei Wochen" oder "Validierung der Integrität nach jedem TByte". Erfolgsmetriken sollten Durchsatzrate, Fehlerrate und Netzwerklatenz umfassen.
Durchführung der Migration: Strukturierte Datenübertragung
Um die Risiken zu minimieren, sollte die Migration schrittweise erfolgen. Beginnen Sie mit einer Pilotphase von 10 bis 15 Prozent der Gesamtdaten, um Prozesse zu verfeinern und die Performance unter realen Bedingungen zu testen:
- Dedizierte Netzwerkbandbreite sicherstellen: Richten Sie für die Migration eine dedizierte Bandbreite von mindestens 1 GBit/s ein. Damit erreichen Sie bei optimaler Konnektivität und Datenkompression etwa 450 GByte Datenübertragung pro Stunde.
- Verarbeiten von Dateien in Batches: Beschränken Sie die parallele Verarbeitung auf maximal 5000 Dateien pro Batch, um sicherzustellen, dass die Überwachung und Integrität gewahrt bleibt. Erstellen Sie für jeden Batch eine Datei-Logdatei, die den Migrationsstatus (erfolgreich, fehlerhaft, ausstehend) dokumentiert.
- Prüfsummenvergleiche implementieren: Nutzen Sie Hash-basierte Prüfsummen (etwa SHA-256) zur Überprüfung der Datenintegrität nach jedem Batch. Dies ist entscheidend, um sicherzustellen, dass die Daten in der Cloudumgebung korrekt und unverändert ankommen.
- Rollback-Punkte festlegen: Richten Sie nach jeweils 1 TByte migrierter Daten Rollback-Punkte ein, um eine Rückkehr zu den letzten stabilen Datenversionen zu ermöglichen. Falls Fehler auftreten, können Sie so schnell zu einem bekannten, fehlerfreien Zustand zurückkehren.
Technische Optimierung: Netzwerk und Datenfluss
Für eine reibungslose Migration und schnelle Wiederherstellung sind optimale Netzwerkkonditionen notwendig:
- Netzwerklatenz analysieren und optimieren: Messen Sie die Latenz zwischen Ihrem Standort und den Cloud-Nodes und streben Sie Latenzzeiten unter 20 ms an, um eine akzeptable Datenübertragungsrate zu gewährleisten. Bei höheren Latenzen sollten Sie eine dedizierte Leitung oder eine Verbindung zu Edge-Locations des Anbieters in Betracht ziehen.
- Datenkompression: Nutzen Sie die Datenkompression während des Lesevorgangs, um das insgesamt übertragene Volumen zu reduzieren. Das ist besonders effektiv beim Umgang mit großen Dateien beziehungsweuse Datensätzen, die auf Band gespeichert sind.
- Inkrementelle Übertragungen: Teilen Sie die Migration in Phasen auf, beginnend mit hochpriorisierten Datensätzen. Dieser Ansatz stellt sicher, dass kritische Operationen oder häufig genutzte Daten früh im Migrationsprozess in der Cloudumgebung verfügbar sind, während weniger dringende Daten später übertragen werden.
Datenmanagement und Governance: Automatisierung und Lifecycle-Management
Nach der Migration in die Cloud ist ein effizientes Datenmanagement entscheidend:
- Automatisierte Policies für das Lifecycle-Management: Implementieren Sie Regeln zur automatischen Klassifizierung und Verteilung von Daten. Zum Beispiel können Daten, die älter als zwei Jahre sind und selten abgerufen werden, automatisch in ein Cold-Storage-Tier verschoben werden.
- Dynamische Anpassung der Redundanzlevel: Passen Sie die Redundanzebenen je nach Bedeutung der Daten an. Geschäftskritische Daten könnten über mehrere Cloud-Nodes repliziert werden, während weniger wichtige Daten nur eine minimale Redundanz benötigen.
- Compliance-Checks und Reporting automatisieren: Automatisierte Compliance-Checks helfen dabei, regulatorische Anforderungen kontinuierlich zu erfüllen. Richten Sie regelmäßige Berichte ein, die den Status und die Sicherheit der Daten dokumentieren.
Monitoring und Optimierung: KPIs und Fehlerbehebung
Eine durchgängige Überwachung stellt sicher, dass der Migrationsprozess erfolgreich verläuft und die Anwendungen betriebsfähig bleiben. Wichtig ist dabei die Überwachung von technischen und geschäftlichen KPIs: Messen Sie Durchsatz, Fehlerrate und die Auswirkungen der Migration auf die Anwendungsverfügbarkeit. Engpässe bei der Bandbreite oder hohe Latenzzeiten sollten in Echtzeit gemeldet und behoben werden.
Entscheidend ist auch die gute Integration der Cloudüberwachung. Verwenden Sie standardisierte APIs, um Cloud-Monitoringtools in bestehende Überwachungssysteme zu integrieren und so eine zentrale Steuerung der Migration und der anschließenden Cloudnutzung zu ermöglichen.
Nachbereitung: Validierung und Schulung
Nach dem Abschluss der Migration ist eine umfassende Validierung und langfristige Planung notwendig, um eine dauerhafte Umstellung sicherzustellen:
- Integritätsprüfung und Verfügbarkeitstests: Überprüfen Sie alle migrierten Daten auf Integrität und Zugänglichkeit. Automatisierte Tests zur Datenverfügbarkeit und -konsistenz garantieren, dass alle Daten vollständig und korrekt in der Cloud ankommen.
- IT-Teams schulen: Schulen Sie die Mitarbeiter in den neuen Prozessen und Funktionen der Cloudumgebung, insbesondere in der Nutzung von Sicherheitsfeatures und Tools für das Lifecycle-Management.
- Strategie für die Entsorgung der alten Bandinfrastruktur entwickeln: Nach der Migration sollten Sie entscheiden, ob die alte Infrastruktur recycelt, gespendet oder sicher entsorgt wird. Halten Sie sich an Datenlöschprotokolle, um sicherzustellen, dass keine sensiblen Informationen zurückbleiben.
Fazit
Die Migration von Bandspeicher zu dezentralem Cloud-Storage ermöglicht Unternehmen eine effizientere und sicherere Speicherung ihrer Daten. Dezentrale Cloudansätze bieten eine verteilte, redundante Architektur mit hoher Ausfallsicherheit und schneller Datenwiederherstellung. Viele IT-Teams berichten, dass sich der Aufwand der Migration innerhalb von zwölf bis 18 Monaten amortisiert, sowohl durch reduzierte Betriebskosten als auch durch gewonnene Flexibilität. Eine sorgfältige Planung ist entscheidend, um die spezifischen Anforderungen des Unternehmens zu berücksichtigen. Organisationen, die sich für europäische Angebote entscheiden, profitieren zusätzlich von digitaler Souveränität und Unabhängigkeit von großen Playern. So können IT-Administratoren den Wert ihrer Daten im digitalen Zeitalter maximieren und gleichzeitig das Risiko der Abhängigkeit reduzieren.
ln/Thomas Demoor ist CTO bei von Impossible Cloud