Moderne Vernetzung industrieller Prozesse
Die vernetzte Industrie ist für Deutschland wie Europa entscheidend für die künftige Wettbewerbsfähigkeit. Intelligente Sensoren, Aktoren und Steuerungen erfassen und analysieren Produktionsdaten in Echtzeit, um daraus Effizienzsteigerungen und neue Geschäftsmöglichkeiten zu generieren. Dafür wird die industrielle Produktion mit zahlreichen digitalen Technologien wie IoT, KI, Big Data und der Cloud verknüpft. Für IT-Verantwortliche birgt dies eine Reihe neuer Herausforderungen hinsichtlich der Security, Interoperabilität und des Bedarfs an Fachkräften.
In Deutschland wird die Industrievernetzung oft unter dem Schlagwort von der "Industrie 4.0" diskutiert. Der Begriff bezieht sich auf die vierte industrielle Revolution, die durch die Einführung digitaler Technologien wie IoT, KI, Big Data und Cloud in die industrielle Produktion geprägt ist – und bei der die Unternehmen ihre Produktionsanlagen und Prozesse vernetzen, um die Weichen für nachhaltige Effizienzsteigerungen, zusätzliche Flexibilität und innovative Geschäftsmodelle zu stellen.
Allerdings herrscht in den produzierenden Unternehmen mit Blick auf die Digitalisierung immer noch großer Nachholbedarf: Erst langsam beginnen die Betriebe, die Digitalisierung nicht als Bedrohung, sondern als Chance wahrzunehmen. Wie weit abgehängt Deutschland im internationalen Vergleich dabei ist, zeigt sich nirgends deutlicher als beim Einsatz von Cloud, Big Data und künstlicher Intelligenz: Hier hinken die deutschen Unternehmen vielfach ihren internationalen Wettbewerbern schon jetzt um mehrere Jahre hinterher, weil sie nur zögerlich und verspätet auf neue Technologien gesetzt haben.
Industrievernetzung als Wegbereiter für Automatisierung
Dass die Digitalisierung der Produktion den Unternehmen viele neue Möglichkeiten eröffnet, ist unbestritten: Mit vernetzten und durchgängig digitalen Prozessen legen Unternehmen ein robustes Fundament, um ihre Abläufe über die reine Produktion hinweg zu automatisieren. Davon können vor allem Betriebe profitieren, die in einem harten Wettbewerbsumfeld agieren – etwa exportorientierte Unternehmen und deren Zulieferer, für die Kostenvorteile und Effizienzsteigerungen im Vordergrund stehen.
Aber auch die Hidden Champions, die ihre Stärken oftmals in industriellen Nischen erlangen konnten, erkennen zunehmend, dass sie sich den Vorzügen der Automatisierung nicht länger verschließen dürfen und ihre Geschäftsmodelle anpassen müssen. Dies gilt vor allem für Industrieunternehmen, die in langlebige Produktionsanlagen investiert haben: Nachdem sich die Industrieanlagen nur mit viel Vorlauf an die neuen Rahmenbedingungen anpassen lassen und ihre Amortisation typischerweise in Jahrzehnten gemessen wird, will die Digitalisierung solcher Infrastrukturen strukturiert und von langer Hand geplant sein.
Informationen als Basis fundierter Entscheidungen
Der Lohn der Mühe ist den hohen Aufwand wert: Immerhin schaffen Betriebe mit der Vernetzung der Infrastrukturen nicht nur die Voraussetzungen für eine umfassende Automatisierung, sondern verbessern und beschleunigen auch nachhaltig die Verfügbarkeit von Informationen – und die entscheiden heute oft über den Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens. Wenn im Zuge der Digitalisierung beispielsweise die Produktionsanlagen mit Datenbanken und Data-Lake-Strukturen in der Cloud vernetzt, mit entsprechend leistungsfähigen Analysefunktionen hinterlegt und an die ERP-Systeme angebunden werden, stehen internen und externen Anwendern wesentlich schneller valide KPIs zur Verfügung.
Auf diese Weise lassen sich nicht nur Produktionsprozesse effektiver planen, sondern auch Produktionsanlagen effizienter und kostengünstiger betreiben. Fehler werden schneller erkannt und beseitigt, ehe Schaden entsteht. Und weil alle relevanten Daten in Echtzeit erfasst, zentral verwaltet und kontinuierlich analysiert werden, kann das Management jederzeit effektive und fundierte Entscheidungen treffen.
Getrennte Technologiewelten
Der Weg zur Smart Factory ist allerdings kein leichter. Zu den größten Herausforderungen gehört in der Regel die Verzahnung der OT (Operational Technology) mit den Prinzipien, Strukturen und Systemen der IT (Information Technology). Diese beiden separaten Technologiewelten in Einklang zu bringen, ist nicht nur in der physischen Ausprägung aufwendig – sondern auch ein komplexer Integrationsprozess, der praktisch alle Bereiche eines Unternehmens betrifft: vom unterschiedlichen Anforderungsmanagement, das bei OT auf Zuverlässigkeit, Resilienz und Safety fokussiert, während bei IT eher Flexibilität, Modularität und IT-Security im Mittelpunkt stehen, über die Zuständigkeiten der OT- und IT-Abteilungen bis hin zu heterogenen Protokollen, Systemen und Support-Strukturen.
Eine zweite nicht zu unterschätzende Herausforderung ist die Einbindung der sogenannten Brown-Field-Infrastrukturen, die viele Produktionsumgebungen prägen. Diese hochkomplexen OT-Infrastrukturen sind meist über Jahre und Jahrzehnte entstanden – und es ist schwierig, sie in ein einheitliches Vernetzungs-, Sensorik- und Automatisierungskonzept mit einheitlichen Datenmodellen zu überführen. Hier kommen die Unternehmen oft nicht umhin, Integrationspartner mit ins Boot zu holen, die bereits umfassende Erfahrung mit der Migration heterogener OT-Infrastrukturen in digitalisierte Umgebungen haben.
OT als einfaches Ziel für Cyberattacken
Und auch mit Blick auf die IT-Security-Konzeption lauern bei der Öffnung der Produktionsnetze viele Risiken: Da OT-Infrastrukturen und Produktionsanlagen lange Jahre hermetisch von anderen Netzwerken getrennt und separat betrieben wurden, sind sie von Haus aus erst einmal nicht für die Anschaltung an externe – insbesondere cloudbasierte – Strukturen ausgelegt.
Bei näherem Hinsehen finden sich in den entsprechenden Umgebungen meist unterschiedlichste Patch-Level, unklare Zugriffs- und Kommunikationsrechte und nicht hinreichend segmentierte Netzwerkabschnitte. Sobald die entsprechenden Systeme mit dem Internet in Verbindung stehen, können sie schnell zum Ziel für Cyberangriffe werden. In der Folge kann es geschehen, dass Produktionsanlagen kompromittiert, gestört oder beschädigt werden – bis hin zum Totalausfall.
Best Practices für IT-Administratoren
Die schwierige Aufgabe, die Produktionsanlagen für die Industrievernetzung fit zu machen, kommt in aller Regel den Systemplanern und -administratoren in den OT- und IT-Abteilungen zu. Dabei hat sich folgende Vorgehensweise als zielführend erwiesen:
- Prüfung und Anpassung der Vernetzungsinfrastrukturen: Im ersten Schritt sollten sich die Administratoren einen Überblick über die bestehenden passiven Infrastrukturen verschaffen und prüfen, ob diese tatsächlich alle notwendigen Protokolle und Verfahren unterstützen. Wenn nicht, gilt es frühzeitig, alternative Netzverbindungen zu konzipieren und gegebenenfalls zu implementieren – beispielsweise über moderne Wireless-Verfahren wie Private-5G-Infrastrukturen.
- Lückenlose Visibilität über die Assets: Im nächsten Schritt sollten die Administratoren alle angeschalteten Systeme, Clients und Geräte in der Umgebung identifizieren und inventarisieren, und deren jeweilige Kommunikationsbeziehungen dokumentieren.
- Segmentierung und Einführung von Policies: Sind die Clients und deren Kommunikationsprofile erfasst, müssen diese schließlich im dritten und letzten Schritt unterschiedlichen Rechteprofilen zugewiesen werden, um die Zugriffe auf die einzelnen Ressourcen zu reglementieren beziehungsweise zuzulassen. Basis dieser Vorgehensweise ist es, das Netzwerk in verschiedene Segmente zu unterteilen, damit nur noch berechtigte Clients innerhalb dieser Segmente kommunizieren können. Die Entwicklung der Kommunikationsmatrix und der zugehörigen Rechteprofile ist dann auch bei Anpassungen der Anlagen weiterzuführen. Hier gilt es also, besondere Sorgfalt walten zu lassen und die Konzepte bereits auf heutige und zukünftige Anwendungen auszulegen.
Fazit
Die Digitalisierung und Vernetzung der Infrastrukturen eröffnet produzierenden Unternehmen eine Vielzahl von Vorzügen – und bereitet den Weg für eine umfassende und nachhaltige Automatisierung der Abläufe und Effizienzsteigerungen. Allerdings ist der Weg dorthin nicht ohne Herausforderungen, und die OT- wie auch die IT-Abteilungen sind gut beraten, bereits zu Projektbeginn einen erfahrenen Partner hinzuziehen, der bei der anstehenden Migration aktiv unterstützt. Dieser sollte sowohl über das erforderliche OT- als auch profundes IT-Know-how verfügen, denn eine Smart Factory lässt sich nur erfolgreich aufbauen, wenn umfangreiche Kompetenz und Erfahrung aus beiden Bereichen in das Projekt einfließen. Neben Produktionsaspekten sind hier auch angemessene IT-Security-Maßnahmen und Netzwerkthemen zu berücksichtigen.
ln/Jens Müller, Teamleiter Business Network Solutions bei Controlware