Nachhaltige Rechenzentren: Prüfungsprozess mit KI
Rechenzentren sind das Rückgrat des digitalen Zeitalters, aber ihre rasche Expansion hat in Europa zu erheblichen Bedenken hinsichtlich des Energieverbrauchs geführt. Mit der EU-Taxonomie und der Energieeffizienzrichtlinie sollen Nachhaltigkeit und Energieeffizienz gefördert werden. Die Komplexität der EU-Taxonomie-Verordnung und die Sicherstellung der Konformität stellen für Rechenzentren aber eine Herausforderung dar. Doch gerade der Prüfungsprozess lässt sich durch KI-basierte Werkzeuge einfacher gestalten.
Die Rechenzentrumsbranche erlebt einen globalen Boom: Zwischen 2015 und 2022 stieg die Anzahl der Server in Rechenzentren um 45 Prozent von 59 Millionen auf 86 Millionen. Die Nachfrage nach digitalen Anwendungen treibt den Bedarf an Infrastruktur. Im März 2024 gab es weltweit über 10.000 Rechenzentren, davon 5381 in den USA, 521 in Deutschland und 514 im Vereinigten Königreich.
Nachhaltigkeit gewinnt an Bedeutung, da der Energiebedarf der Rechenzentren und kleineren IT-Installationen in Deutschland von 2010 bis 2022 um 70 Prozent auf 17,9 Mrd. kWh/a stieg. Im Jahr 2018 belief sich der Energieverbrauch der Rechenzentren in der EU auf 76,8 TWh. Er dürfte in der EU bis 2030 auf 98,5 TWh steigen, was einem Anwachsen um 28 Prozent entspricht. Effizienzsteigerungen kompensieren den erhöhten Energieverbrauch nur teilweise. Etwa 80 bis 90 Prozent der Treibhausgasemissionen von Rechenzentren resultieren aus dem Strombedarf, weshalb viele Einrichtungen heute auf regenerativen Strom setzen.
Laut International Energy Agency machten Rechenzentren und Datenübertragungsnetze im Jahr 2020 etwa ein Prozent des weltweiten Stromverbrauchs aus. Um das Net Zero-Emissions-Szenario zu erreichen, müssen die Emissionen bis 2030 halbiert werden.
Zahlreiche Regulierungen für die Energieeffizienz von Rechenzentren
Zur Bewältigung der Bedenken bezüglich der Umweltauswirkungen und des steigenden Energiebedarfs von Rechenzentren wurden mehrere untereinander vernetzte Regulierungen eingeführt. Hier ein kurzer Überblick über die wichtigsten aktuellen Vorschriften: Die Europäische Union hat den früheren Europäischen Verhaltenskodex für Rechenzentren (EU DC CoC) in einen formelleren Anforderungskatalog mit einem neuen Bewertungsrahmen für Rechenzentren innerhalb der EU-Taxonomie Verordnung umgewandelt: Assessment Framework for Data Centres in the Context of Activity 8.1 in the Taxonomy Climate Delegated Act.
Dazu kommt auf EU-Ebene die EU-Energieeffizienzrichtlinie EED - (EU) 2023/1791 und auf nationaler Ebene in Deutschland das bereits im letzten Jahr eingeführte Energieeffizienzgesetz (EnEfG). In diesem Artikel legen wir den Fokus auf die EU-Taxonomie und stellen deren Verbindung zu den Kriterien der EU-Energieeffizienzrichtlinie zusammengefasst dar.
Inwiefern sind Rechenzentren von der EU-Taxonomie betroffen?
Die EU-Taxonomie dient als Klassifizierungssystem zur Förderung ökologisch nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten. Sie zielt darauf ab, Transparenz zu schaffen und Kapital in nachhaltige Investitionen zu lenken. Für Rechenzentren definiert die EU-Taxonomie-Verordnung unter der Wirtschaftsaktivität 8.1 "Datenverarbeitung, Hosting und damit verbundene Tätigkeiten" spezifische Kriterien, die Nachhaltigkeit und Energieeffizienz betonen. Das Ziel ist eine deutliche Reduzierung des Energie- und Wasserverbrauchs. Diese Kategorie umfasst Aktivitäten wie Speicherung, Verwaltung, Übertragung und Verarbeitung von Daten, einschließlich Edge-Computing, und fällt unter den NACE-Code J63.11.
Um als wesentlicher Beitrag zum Klimaschutz eingestuft zu werden, müssen Rechenzentren die Verfahren des Europäischen Verhaltenskodex für Energieeffizienz (CoC) einhalten. Diese Verfahren müssen alle drei Jahre von einem unabhängigen Dritten verifiziert werden und lassen sich durch alternative Methoden ersetzen, wenn sie vergleichbare Energieeinsparungen erzielen. Rechenzentren müssen Systeme zur Messung, Erfassung und Berichterstattung von Leistungskennzahlen (KPIs) zur Nachhaltigkeit einführen, um ihre Leistung effektiv zu überwachen. Beispielsweise darf das Treibhauspotenzial (GWP) der verwendeten Kältemittel im Kühlsystem den Wert 675 nicht überschreiten.
Die Rechenzentren und Betreiber in dieser Kategorie müssen unter anderem innerhalb der EU-Taxonomie Prüfung die Kriterien der Klimarisiko- und Vulnerabilitätsbewertung (DNSH) erfüllen. Es ist wichtig sicherzustellen, dass der Betrieb von Rechenzentren keine negativen Auswirkungen auf Umweltziele wie "Wasserverbrauch, Umweltverschmutzung, Schutz der Biodiversität" hat und einige Vorgaben für die "Förderung der Kreislaufwirtschaft" eingeführt wurden. Während die EU-Taxonomie-Verordnung keine spezifischen Angaben zu den Umweltzielen "Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung" und "Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme" macht.
Das sind die Kriterien der EU-Energieeffizienz-Richtlinie
Die EU-Taxonomie bezieht sich auch auf die Einhaltung der EU-Energieeffizienzrichtlinie (EED). Diese Richtlinie verpflichtet Rechenzentren, ihren Energieverbrauch und ihre Emissionen aktiv zu überwachen und zu berichten. Diese Maßnahmen sollen den Energieverbrauch in Europa bis 2030 um 11,7 Prozent senken und das Ziel des EU Green Deal unterstützen, die Kohlenstoffemissionen bis 2030 um 55 Prozent zu reduzieren. Die Richtlinie fordert eine verbesserte Effizienz von Rechenzentren, beginnend mit der verpflichtenden Berichterstattung über Energieverbrauch und Emissionen für Zentren mit mehr als 500 kW.
Die Richtlinie betont die Einführung von Energiemanagementsystemen und regelmäßigen Energieaudits. Ab dem 15. Mai 2024 müssen die Eigentümer und Betreiber von Rechenzentren jährlich einen Bericht über die Energieleistung des Vorjahres in eine europäische Datenbank eintragen. Wichtige Bestimmungen der EED für Rechenzentren sind folgende:
- Obligatorische Berichterstattung: Rechenzentren mit einer Gesamtnennleistung von mindestens 500 Kilowatt (kW) müssen jährlich ihre Energieleistungsdaten veröffentlichen. Dies umfasst Kennzahlen wie Energieverbrauch, Power Usage Effectiveness (PUE), Temperatursollwerte, Abwärmenutzung, Wasserverbrauch und den Anteil erneuerbarer Energien.
- Abwärmenutzung: Rechenzentren mit einer Leistung über 1 Megawatt (MW) müssen ihre Abwärme für Heizzwecke oder andere Energierückgewinnungsanwendungen nutzen, sofern dies technisch und wirtschaftlich machbar ist. Diese Maßnahme unterstützt die Kreislaufwirtschaft und reduziert die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen.
- Integration erneuerbarer Energien: Rechenzentren sollen ihren Strombedarf vorrangig aus erneuerbaren Energiequellen decken, um den CO₂-Ausstoß zu senken und einen nachhaltigen Energiemix zu fördern.
- Optimierung des Energieverbrauchs: Betreiber von Rechenzentren sind verpflichtet, Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz umzusetzen. Dazu gehören die Optimierung der Kühlsysteme, der Einsatz effizienterer IT-Geräte sowie die Einführung von Virtualisierungs- und Serverkonsolidierungstechniken.
- Wiederverwendung von Abwärme: Lokale Behörden müssen Heiz- und Kühlpläne entwickeln, um die von Rechenzentren erzeugte überschüssige Wärme zu nutzen.
Wie sich der EU-Taxonomie-Prüfungsprozess durch KI vereinfachen lässt
Für Beitreiber von Rechenzentren stellt es durchaus eine Herausforderung dar, die Komplexität der EU-Taxonomie zu bewältigen und die Einhaltung der Vorschriften sicherzustellen. Die Vielschichtigkeit der EU-Taxonomie lässt sich aber durch den Einsatz von KI vereinfachen und beschleunigen, obwohl es aktuell noch einige Einschränkungen gibt, sowohl aufgrund der Gesetzgebung als auch wegen fehlender Informationen und Datenquellen.
Ein wichtiger Schritt in Richtung Automatisierung dank künstlicher Intelligenz ist die Umsetzung der Verordnung in logische Entscheidungsbäume, die sich konkret für den Nutzer eines KI-Werkzeugs in eine Liste von Fragen umsetzen. Auf diese Art und Weise können Unternehmen wie Rechenzentren beim Prüfungsprozess Stück für Stück begleitet werden.
Zur Vereinfachung und Begleitung tragen NLP-basierte Tools (Natural Language Processing) zur Textanalyse beim automatischen Auslesen von Dokumenten bei. Dadurch lassen sich relevante Informationen und Bewertungskriterien extrahieren, um die Anforderungen der EU-Taxonomie automatisch zu beantworten. Dies unterstützt die Nutzer, indem sie nur noch die vorausgewählten Antworten bestätigen müssen.
Ein praktisches Beispiel für die Automatisierung der EU-Taxonomie-Bewertung ist das Taxo Tool. Diese KI-basierte Software wurde von Dydon AI in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) und dessen Tochtergesellschaft VÖB-Service GmbH entwickelt. Eine weitere Automatisierung der Bewertungen erreicht dieses KI-Tool durch die Integration externer Daten- und Informationsdienste. Ein Beispiel hierfür ist die Bewertung von Klimarisiken. In diesem Fall ist pro Standort, basierend auf einer Adresse oder einem Gebiet auf einer Karte, eine Einschätzung klimatischer und geologischer Risiken möglich – und somit die automatische Erfüllung des "Do No Significant Harm"-Prüfungsprozesses der EU-Taxonomie.
Durch diese Art von KI-Systemen können technische Screening-Kriterien der EU-Taxonomie (detaillierte Spezifikationen, die festlegen, ob eine wirtschaftliche Aktivität als nachhaltig anzusehen ist) ausgerechnet werden, falls diese Daten nicht zur Verfügung stehen sollten.
Fazit
Die Automatisierung von Arbeitsabläufen sowie die Datenintegration durch KI stellen heute eine enorme Unterstützung bei der EU-Taxonomie Bewertung dar, indem Zeit- und Arbeitsaufwand für die Compliance-Berichterstattung erheblich reduzieren werden. Betreiber und Entwickler von Rechenzentren sollten sich auf die Unterstützung von KI-Werkzeugen vorbereiten, um die Komplexität der Regulierung zu bewältigen, und eventuelle zukünftige Förderungsanfragen bei Finanzunternehmen sicherzustellen.
ln/Dr. Hans-Peter Güllich; CEO und Gründer von Dydon AI