OpenRAN-5G-Netz von 1&1 macht Fortschritte
1&1 treibt den Aufbau eines eigenen 5G-Mobilfunknetzes auf Basis der OpenRAN-Technologie weiter voran. Bis Ende 2024 waren über 2300 Antennenstandorte vorbereitet oder aktiv, mehr als sechs Millionen Kunden wurden bereits migriert. Einen spürbaren Rückschlag musste das Unternehmen im letzten Jahr allerdings wegstecken.
1&1 hat 2024 weiter an seinem eigenen Mobilfunknetz gearbeitet – und das trotz einiger Rückschläge. Seit dem Start im Dezember 2023 betreibt der Anbieter das europaweit erste vollständig virtualisierte 5G-Netz auf Basis von OpenRAN. Das Netz läuft cloudnativ und ist durchgängig softwaregesteuert – verteilt auf vier zentrale Core-Rechenzentren und derzeit über 200 Far-Edge-Rechenzentren, die per Glasfaser mit derzeit 2309 Antennenstandorten verbunden sind oder wo eine Anbindung bevorsteht. Bis Ende März 2025 wollte das Unternehmen 1000 Standorte im Livebetrieb haben. Insgesamt befinden sich mehr als 6000 Standorte im Aufbau oder in Planung.
Hälfte der Kunden im neuen Netz
Allerdings lief nicht alles reibungslos: Im Mai 2024 kam es zu einem größeren Netzausfall – zentrale Komponenten im Core waren scheinbar unterdimensioniert. Die Folge: gestoppte Kundenmigrationen, mehr Kündigungen, ungeplante Zusatzkosten. Erst im vierten Quartal nahm 1&1 die Migration der Bestandskunden wieder mit voller Kraft auf.
Inzwischen telefonieren und surfen über sechs Millionen der insgesamt rund 12,4 Millionen Kunden im neuen Netz, täglich kommen bis zu 50.000 weitere per automatischem Over-the-Air-Update hinzu. Bis Ende 2025 sollen alle Kunden vollständig auf das eigene Netz umgezogen sein. Hierfür investiert das Unternehmen weiter in den Netzausbau: Rund 290 Millionen Euro flossen 2024 in neue Infrastruktur, das EBITDA des Segments bleibt jedoch mit -265 Millionen Euro tiefrot – vor allem wegen Migrationskosten und Vorleistungen, die ab 2026 entfallen sollen.
Hard- und Software entkoppelt
Kern des Netzes ist die OpenRAN-Architektur, bei der Hard- und Software konsequent entkoppelt sind. Die Basisstationen bestehen aus standardisierten Komponenten, die per Software in der privaten 1&1-Cloud gesteuert werden. Funktionen wie das Radio Access Network (RAN), der Scheduler oder der Mobility Management Entity laufen virtualisiert in verteilten Rechenzentren – teils im Core, teils in regionalen Edge-Zonen für niedrige Latenzen.
Als Generalunternehmer für den Netzaufbau setzt 1&1 auf Rakuten Symphony, die Netzwerksparte des japanischen Telekommunikationskonzerns Rakuten. Symphony liefert eine Ende-zu-Ende-Lösung für den Betrieb von OpenRAN-Netzen, inklusive zentralem Orchestrierungs-Framework, Managementsystemen und virtualisierten Netzwerkfunktionen.
Die Plattform ermöglicht es, alle Netzkomponenten – vom Radio bis zum Core – zentral über Software zu steuern und zu überwachen. In der Praxis koordiniert Symphony nicht nur die Integration der Antennen und Rechenzentren, sondern sorgt auch für die Automatisierung von Betriebsprozessen, Fehlerbehebung und Skalierung.
BSI hinterfragt Sicherheit von OpenRAN
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sieht den Einsatz von Open-RAN-Netzarchitekturen mit gemischten Gefühlen. In einer 2022 veröffentlichten, vom BSI beauftragten Risikoanalyse wurden insbesondere die Vielzahl offener Schnittstellen, die starke Modularisierung sowie die Nutzung virtualisierter Cloud-Infrastrukturen als sicherheitsrelevante Faktoren eingestuft.
Die Studie verweist auf mittlere bis hohe Risiken in Bezug auf Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit, vor allem, weil viele Sicherheitsmaßnahmen bislang optional und nicht durchgängig implementiert sind. Kritisiert wird zudem, dass das aktuelle Open-RAN-Ökosystem nicht dem Prinzip "Security by Design" folgt und die Spezifikationen in vielen Punkten unspezifisch seien.
1&1 geht in seinem Geschäftsbericht 2024 auf diese Diskussion ein und betont, dass Sicherheit ein zentrales Designprinzip beim Aufbau des eigenen 5G-Netzes sei. Das Unternehmen setzt auf eine durchgängige Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, strikte Zugangskontrollen, segmentierte Netzarchitekturen sowie regelmäßige externe Penetrationstests. Zudem wird auf die klare Trennung von Management-, Steuer- und Datenebene verwiesen, wie sie auch in der Open-RAN-Spezifikation vorgesehen ist.
Das cloudnative Design ermögliche es darüber hinaus, Sicherheitsupdates zentralisiert und automatisiert auszurollen. 1&1 sieht sich damit gut aufgestellt, um den hohen Anforderungen an kritische Infrastrukturen gerecht zu werden – auch im Hinblick auf aktuelle Diskussionen zur Sicherheit von Open-RAN.
Technische Kniffe beim Roaming
In Sachen Netzabdeckung sichert 1&1 die Übergangszeit mit National Roaming ab. Seit Sommer 2024 greift 1&1 dazu auf das Vodafone-Netz zurück – eine Partnerschaft, die schrittweise den bisherigen Roaming-Vertrag mit Telefónica ablöst. Besonders für Gegenden ohne eigene 1&1-Versorgung ist das ein nicht unwichtiger Zwischenschritt.
Ein technisches Merkmal ist dabei das RAN-Sharing: Kunden wird per SIM-Profil über das sogenannte Multi-Operator Core Network (MOCN) automatisch das verfügbare Netz zugewiesen – ohne aktives Umschalten. Bei Bedarf nutzen sie das Funkzugangsnetz (RAN) von Vodafone, während der Sprach- und Datenverkehr standardmäßig über das eigene Core-Netz von 1&1 verarbeitet wird. Diese Form des National Roaming ermöglicht eine nahtlose Übergabe zwischen beiden Netzen und sorgt für eine stabile Versorgung während des laufenden Netzausbaus.
Für das internationale Roaming hat 1&1 bereits im Jahr 2022 eine strategische Partnerschaft mit Orange France geschlossen. Damit erhalten 1&1-Kunden im Ausland Zugang zu den Mobilfunknetzen der Orange-Gruppe sowie deren weltweiten Roaming-Partnern. Technisch erfolgt die Anbindung über standardisierte IPX-Schnittstellen und das SS7-Protokoll, um Sprach- und Datendienste im Ausland zu ermöglichen. Dabei geben sich die SIM-Karten von 1&1 im Ausland als französische Orange-Karten aus.