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Seite 3 - Studie: Burnout in der IT-Branche
Die fünf Säulen der Identität
Sturms zweite Forschungsfrage war, ob es einen Zusammenhang zwischen der individuellen Burnout -Gefährdung und den Fünf Säulen der Identität, einem Konzept der integrativen Theorie zur Beschreibung und Analyse des menschlichen Daseins, gibt. Die Säulen können als Spiegelbild des individuellen Befindens oder Gesundheitszustands einer Person gesehen werden.

Bild 5: Die fünf Säulen der Identität
Identität ist das Bild und das Gefühl, dass man von sich selbst hat. Es entsteht aus dem Zusammenspiel von Identifikation (wie sehe ich mich selbst) und Identifizierung (wie werde ich von anderen gesehen?). Die Verflechtung von Identifikation und Identifizierung macht Identität aus. Zur Identität gehören zum Beispiel das Gewissen, die geschlechtliche Identität als Frau (wir Frauen) oder Mann (wir Männer), die Gruppenidentität (wir IT-Fachkräfte) et cetera.

Bild 6: Burnout-Gefährdung und Score Fünf Säulen-Index
Der Gesamtscore des Fünf Säulen-Index (FSI) aus Bild 5 erweist sich als ausgesprochen gut geeignetes Messinstrument für Burnout: Nur 21 Prozent (ein Prozent davon kritisch) der Stichprobe mit einem Score ab 4,5 sind Burnout-gefährdet - allerdings 94 Prozent (45 Prozent davon kritisch) der Teilnehmer mit einem Score unter 3,5, ein um über 70 Prozent höherer Wert!
Zusammenhang Burnout-Gefährdung und Arbeitsstunden sowie Alter
Die Untersuchung zeigt, dass über 80 Prozent der IT Fach- und Führungskräfte 40 bis 53 Stunden pro Woche arbeiten. Mehr Wochenarbeitsstunden erhöhen das Burnout-Risiko maßgeblich. Personen, die über 54 Stunden in der Woche arbeiten, sind um zwölf Prozent gefährdeter. Sturm konnte einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Burnout-Risiko und der Arbeitszeit feststellen.
Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass das Burnout-Risiko in den mittleren Altersgruppen etwas höher ist als im Durchschnitt. Am stärksten gefährdet ist die Gruppe der 39 bis 47 Jahre alten Personen. Der Unterschied der Burnout-Gefährdung zwischen den Altersgruppen (ausgenommen der 1,5 Prozent über 56 Jährigen) ist kleiner als zehn Prozent. Sturm konnte keinen Zusammenhang zwischen dem Burnout-Risiko und dem Alter feststellen.
Vergleich mit anderen Studien
Um einen Anhaltspunkt für das tatsächliche Ausmaß der Burnout-Gefährdung in der IT-Branche zu finden, hat Sturm den Vergleich mit den Studien der Arbeiterkammern Niederösterreich und Wien sowie der Ärztekammer Niederösterreich angestellt. Der Vergleich verdeutlicht, dass die IT-Branche wesentlich stärker Burnout-gefährdet ist als Ärzte oder Personen in Gesundheitsberufen! Die Prävalenz von kritischem Burnout liegt bei 13 Prozent, die Burnout-Gefährdung bei 53 Prozent! Die emotionale Erschöpfung ist extrem hoch (nochmals 15 Prozent höher als bei bereits überdurchschnittlich hoch gefährdeten Ärzten). Depersonalisation und Zynismus (DPZ) ist ebenfalls besonders stark ausgeprägt (über 20 Prozent höher). Die Persönliche Erfüllung hingegen befindet sich im guten Durchschnitt, was auf eine hohe Überzeugung von der IT-Arbeit hindeutet. Aufgrund des hohen DPZ-Wertes kann man davon ausgehen, dass sich viele Mitarbeiter in der IT-Branche bereits in einem fortgeschrittenen Burnout-Stadium befinden.
Fazit
Burnout ist am besten Weg, zur Volkskrankheit zu avancieren. Die IT-Branche ist mit einer Gefährdung von 53 Prozent bereits stark betroffen und der wirtschaftliche Schaden enorm. Neben einer breiten Aufklärung der Bevölkerung über Burnout und dessen Folgen erscheint ein effektives Burnout Management-Programm seitens der Unternehmen und des Staates mit geeigneten Maßnahmen zur Prophylaxe, Bewusstseinförderung und Selbstwahrnehmung unbedingt erforderlich. Diese Studie zeigt, dass Burnout nicht ausschließlich mit dem Beruf zusammenhängt sondern als ganzheitliches Phänomen der Lebensbewältigung und -umstände zu sehen ist. Berufliche Reflexion, Coaching und Supervision haben sich als äußerst wirksame Instrumente zur erfolgreichen Burnout Prävention erwiesen, jedoch weniger als zwölf Prozent der IT-Beschäftigten nehmen diese Beratungsmethoden in Anspruch. Auch hier herrscht Aufklärungsbedarf: Professionell begleitete Reflexion ist kein "Psychokram", sondern eine höchst effiziente Methode zur Steigerung des Selbst-Bewusst-Seins und zur Etablierung positiver Bewältigungsstrategien von Arbeits- und Lebensprozessen.
Tim Sturm ist Coach, Mediator und Supervisor in Eugendorf bei Salzburg. Seine Homepage lautet www.b-more.at.
Dipl.-Ing. Tim Sturm/ln
Sturms zweite Forschungsfrage war, ob es einen Zusammenhang zwischen der individuellen Burnout -Gefährdung und den Fünf Säulen der Identität, einem Konzept der integrativen Theorie zur Beschreibung und Analyse des menschlichen Daseins, gibt. Die Säulen können als Spiegelbild des individuellen Befindens oder Gesundheitszustands einer Person gesehen werden.
Bild 5: Die fünf Säulen der Identität
Identität ist das Bild und das Gefühl, dass man von sich selbst hat. Es entsteht aus dem Zusammenspiel von Identifikation (wie sehe ich mich selbst) und Identifizierung (wie werde ich von anderen gesehen?). Die Verflechtung von Identifikation und Identifizierung macht Identität aus. Zur Identität gehören zum Beispiel das Gewissen, die geschlechtliche Identität als Frau (wir Frauen) oder Mann (wir Männer), die Gruppenidentität (wir IT-Fachkräfte) et cetera.
- Leiblichkeit: Der Leib stellt die Verankerung des Menschen in der Welt dar. Die Leiblichkeit des Menschen ist die basale Säule der Identität, ohne Leib gibt es kein Sein. Die Leiblichkeit betrifft die Bereiche Körper, Gesundheit, Vitalität, Leistungsfähigkeit, Zufriedenheit mit seinem Aussehen, sich in "seiner Haut Wohlfühlen" und so weiter.
- Soziales Netzwerk: Im Laufe der lebenslangen Sozialisation tauschen wir Menschen uns in interaktiven Prozessen mit unseren Mitmenschen aus. Somit wird unsere Identität nachhaltig von unseren sozialen Beziehungen und Netzwerken (die mir zugehören und denen ich zugehöre), zum Beispiel der Familie, den Freundschaften, den Kollegen et cetera geprägt. Menschen, die für uns wichtig sind, mit denen wir zusammen arbeiten oder leben, bestimmen unser soziales Netzwerk ebenso wie Menschen, die uns weniger wohl gesonnen sind.
- Arbeit, Freizeit & Leistung: Diese Säule beschreibt den Beruf, die Schule/Ausbildung, die Arbeit sowie die Freizeit (das, mit dem ich mich identifizieren kann und durch das ich identifiziert werde) und betrifft insbesondere Arbeitsleistung, -zufriedenheit und -überlastung, Hobby sowie andere Freizeitaktivitäten. Da Arbeit in der Regel mit Freizeit negativ korreliert (je mehr Arbeit desto weniger Freizeit), sind diese beiden Lebensbereiche in einer Säule zusammengefasst. Ohne Schule oder Beruf und Anbindung in der Freizeit fehlt Orientierung und Struktur.
- Materielle Sicherheit: Diese Säule umfasst die ökonomische Absicherung sowie das ökologische Eingebundensein und betrifft die Bereiche Einkommen, Ver- sowie Absicherungen, Rente, Besitz, Essen und Trinken, Wohnung und Wohnsituation, die finanzielle Situation und die Zukunftsperspektive. Massive Einbußen im ökonomischen Bereich werden häufig als existenzbedrohend erlebt.
- Werte und Normen: Die Werte und Normen (die meine sind und die ich mit anderen, Gleichgesinnten, teile) eines Menschen entstehen aus seiner Bezogenheit zu anderen Menschen. Die Wurzeln der Werte entwickeln sich bereits im frühen Kindesalter. Werte lassen sich kaum direkt vermitteln, sondern durch Vorleben in einem strukturierten Rahmen. Werte und Normen werden dem Menschen von klein auf durch Sprache, Vorbilder, Eltern und Umwelt vermittelt. Diese Säule beschreibt die Sinnfrage des Lebens, die moralische Entwicklung des Ich, die Zugehörigkeit zu einer Gruppe und betrifft Glauben, das wofür wir eintreten, unsere Überzeugungen und Grundprinzipien.
Bild 6: Burnout-Gefährdung und Score Fünf Säulen-Index
Der Gesamtscore des Fünf Säulen-Index (FSI) aus Bild 5 erweist sich als ausgesprochen gut geeignetes Messinstrument für Burnout: Nur 21 Prozent (ein Prozent davon kritisch) der Stichprobe mit einem Score ab 4,5 sind Burnout-gefährdet - allerdings 94 Prozent (45 Prozent davon kritisch) der Teilnehmer mit einem Score unter 3,5, ein um über 70 Prozent höherer Wert!
Zusammenhang Burnout-Gefährdung und Arbeitsstunden sowie Alter
Die Untersuchung zeigt, dass über 80 Prozent der IT Fach- und Führungskräfte 40 bis 53 Stunden pro Woche arbeiten. Mehr Wochenarbeitsstunden erhöhen das Burnout-Risiko maßgeblich. Personen, die über 54 Stunden in der Woche arbeiten, sind um zwölf Prozent gefährdeter. Sturm konnte einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Burnout-Risiko und der Arbeitszeit feststellen.
Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass das Burnout-Risiko in den mittleren Altersgruppen etwas höher ist als im Durchschnitt. Am stärksten gefährdet ist die Gruppe der 39 bis 47 Jahre alten Personen. Der Unterschied der Burnout-Gefährdung zwischen den Altersgruppen (ausgenommen der 1,5 Prozent über 56 Jährigen) ist kleiner als zehn Prozent. Sturm konnte keinen Zusammenhang zwischen dem Burnout-Risiko und dem Alter feststellen.
Vergleich mit anderen Studien
Um einen Anhaltspunkt für das tatsächliche Ausmaß der Burnout-Gefährdung in der IT-Branche zu finden, hat Sturm den Vergleich mit den Studien der Arbeiterkammern Niederösterreich und Wien sowie der Ärztekammer Niederösterreich angestellt. Der Vergleich verdeutlicht, dass die IT-Branche wesentlich stärker Burnout-gefährdet ist als Ärzte oder Personen in Gesundheitsberufen! Die Prävalenz von kritischem Burnout liegt bei 13 Prozent, die Burnout-Gefährdung bei 53 Prozent! Die emotionale Erschöpfung ist extrem hoch (nochmals 15 Prozent höher als bei bereits überdurchschnittlich hoch gefährdeten Ärzten). Depersonalisation und Zynismus (DPZ) ist ebenfalls besonders stark ausgeprägt (über 20 Prozent höher). Die Persönliche Erfüllung hingegen befindet sich im guten Durchschnitt, was auf eine hohe Überzeugung von der IT-Arbeit hindeutet. Aufgrund des hohen DPZ-Wertes kann man davon ausgehen, dass sich viele Mitarbeiter in der IT-Branche bereits in einem fortgeschrittenen Burnout-Stadium befinden.
Fazit
Burnout ist am besten Weg, zur Volkskrankheit zu avancieren. Die IT-Branche ist mit einer Gefährdung von 53 Prozent bereits stark betroffen und der wirtschaftliche Schaden enorm. Neben einer breiten Aufklärung der Bevölkerung über Burnout und dessen Folgen erscheint ein effektives Burnout Management-Programm seitens der Unternehmen und des Staates mit geeigneten Maßnahmen zur Prophylaxe, Bewusstseinförderung und Selbstwahrnehmung unbedingt erforderlich. Diese Studie zeigt, dass Burnout nicht ausschließlich mit dem Beruf zusammenhängt sondern als ganzheitliches Phänomen der Lebensbewältigung und -umstände zu sehen ist. Berufliche Reflexion, Coaching und Supervision haben sich als äußerst wirksame Instrumente zur erfolgreichen Burnout Prävention erwiesen, jedoch weniger als zwölf Prozent der IT-Beschäftigten nehmen diese Beratungsmethoden in Anspruch. Auch hier herrscht Aufklärungsbedarf: Professionell begleitete Reflexion ist kein "Psychokram", sondern eine höchst effiziente Methode zur Steigerung des Selbst-Bewusst-Seins und zur Etablierung positiver Bewältigungsstrategien von Arbeits- und Lebensprozessen.
Tim Sturm ist Coach, Mediator und Supervisor in Eugendorf bei Salzburg. Seine Homepage lautet www.b-more.at.
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Dipl.-Ing. Tim Sturm/ln