1&1 im Visier: Telefónica denkt über Zukauf nach
Nachdem der langjährige Deutschlandchef von Telefónica, Markus Haas, recht überraschend abgelöst wird, brodelt die Gerüchteküche über die Neuausrichtung des spanischen Telekommunikationskonzerns auf dem deutschen Mobilfunkmarkt. Dabei steht besonders das Verhältnis zu 1&1 im Mittelpunkt, das 2023 recht abrupt endete. Womöglich erwägt Telefónica nun sogar eine Übernahme des Mitbewerbers.
Der spanische Telekommunikationskonzern Telefónica prüft laut einem Bericht von El País die Übernahme des deutschen Mobilfunkanbieters 1&1. Die mögliche Transaktion, deren Wert auf bis zu fünf Milliarden Euro geschätzt wird, hätte nicht nur finanzielle, sondern vor allem technologische Bedeutung: Telefónica könnte damit seine Position auf dem größten Telekommarkt Europas deutlich ausbauen – und zugleich seine Kompetenzen in den Bereichen 5G, Glasfaser und Cloudinfrastruktur bündeln. An der Frankfurter Börse stieg die Aktie von 1&1 nach Bekanntwerden der Pläne um mehr als zwölf Prozent auf ein neues Jahreshoch.
Synergien im Netzwerk
Ein Zusammenschluss würde Telefónica demnach erheblichen Zugang zu deutscher Netz- und Rechenzentrumsinfrastruktur verschaffen. 1&1 betreibt seit Jahren ein eigenes Core-Netz, baut ein nationales 5G-Netz auf und verfügt über umfassende Cloud- und Hosting-Ressourcen aus dem Konzernverbund von United Internet. Diese Infrastruktur gilt als technologisch modern und stark virtualisiert. Für Telefónica wäre das eine Ergänzung zu bestehenden Assets in Spanien, Großbritannien und Brasilien – insbesondere im Hinblick auf den Einsatz von softwaredefinierten Netzen (SDN), Network Functions Virtualization (NFV) und Edge Computing.
Kunden zurück ins o2-Netz
Darüber hinaus könnte Telefónica mit einem Kauf verlorene Marktanteile zurückgewinnen. 1&1 hatte 2023 den bisherigen Großhandelsvertrag mit Telefónica beendet und stattdessen Vodafone als Netzpartner gewählt – rund 12 Millionen Kunden wechselten und wechseln nach wie vor das Netz. Die Spanier verloren dadurch Zugriff auf erhebliche Wholesale-Umsätze im deutschen Markt. Eine Integration von 1&1 könnte diese Einnahmen nicht nur kompensieren, sondern auch die Grundlage für neue, technisch anspruchsvolle Geschäftsmodelle schaffen – etwa für private 5G-Campusnetze, IoT-Anwendungen und sichere Unternehmensverbindungen mit KI-gestütztem Traffic-Management.
B2B-Segment im Fokus
Deutschland gilt in der Konzernstrategie als Zukunftsmarkt, in dem Telefónica insbesondere im B2B-Segment wachsen will. Das Unternehmen plant, Glasfaseranbindungen, Clouddienste und Sicherheitslösungen stärker zu verzahnen und damit Komplettpakete für Unternehmen jeder Größe anzubieten. Dazu gehört auch die Entwicklung von hybriden Cloudplattformen und automatisierten Netzmanagement-Systemen auf Basis von künstlicher Intelligenz. Telefónica-Präsident Marc Murtra will diese Strategie am 4. November im Rahmen des Capital Markets Day vorstellen – möglicherweise mit konkreteren Aussagen zur technischen Integration und weiteren Übernahmezielen in Europa. Bis dahin bleiben diese Gedankenspiele genau das: Gedankenspiele.