Green IT durch ressourcenschonende Software

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Green IT durch ressourcenschonende Software

22.04.2020 - 14:00
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Blockchain, Cloud Computing oder Streaming sind nur einige Beispiele für IT-Trends, die eine hohe Prozessorleistung erfordern und den Stromverbrauch im Data Center in die Höhe treiben. Allein in und um Frankfurt, der Hochburg deutscher Rechenzentren, verbraucht die IT über 20 Prozent der Gesamtenergie. Neue Hardware wie sparsame Prozessoren oder eine nachhaltige Klimatechnik sollen helfen, den Stromkonsum im RZ zu senken. Wie der Fachbeitrag zeigt, ist aber nicht zuletzt eine ressourcenschonende Softwarearchitektur wichtig, um Data Center energieeffizienter zu machen.
Beim Schlagwort Green IT dachten die meisten im Zusammenhang mit Rechenzentren bisher wohl an hardwareorientierte Maßnahmen wie verbrauchsarme Prozessoren und intelligent gekühlte Racks. Auch nutzen immer mehr Admins operationelle Stellschrauben, um für einen energieeffizienteren IT-Betrieb zu sorgen. Ein Beispiel sind Netzwerkgeräte, die als Teil der Basisinfrastruktur meist ununterbrochen laufen und bei denen sich schon kleinere Verbesserungen über die Lebensdauer hinweg zu signifikanten Einsparungen summieren können. So wechseln Green-Ethernet-Switches in den Sleep-Modus, sobald kein Datenverkehr ansteht.

Auch bleiben die früher permanent flackernden Port-LEDs heute meist dunkel und werden nur bei Bedarf eingeschaltet. Vielerorts passen zudem immer mehr Netzwerkverantwortliche die Sendeleistung jedes einzelnen Ports je nach Länge der angeschlossenen Kabel an. Denn eine kurze Strecke kommt mit einer weit geringeren Leistung aus als die auf 100 Meter ausgelegte Ethernet-Standardeinstellung. Darüber hinaus lässt sich die Netzlast unter anderem durch gezielte Subnetz-Einstellungen reduzieren – beispielsweise, indem ein physisches Netzwerk in mehrere Teilnetze gegliedert wird, sodass weniger Routinginformationen nötig sind und übergeordnete Übertragungsprotokolle weniger verloren geglaubte Datenpakete neu anfordern müssen.

Inanspruchnahme von Ressourcen verlässlich auswerten
Jenseits von Hardwaresystemen und ihrer Konfiguration nehmen IT-Administratoren als diejenigen, die für eine optimale Abstimmung und Verzahnung von Hard- und Software im Rechenzentrum verantwortlich sind, aber auch verstärkt die Struktur der Software-Anwendungen in den Fokus, wenn es um Energieoptimierungsmaßnahmen im Data Center geht, obwohl es dafür – anders als etwa für Prozessoren – im Moment noch keine belastbaren Vergleichsbenchmarks gibt. Inzwischen aber wächst das Bewusstsein für das Energiesparpotenzial durch nachhaltige Software-Architekturen.

Im Jahr 2018 hat das Umweltbundesamt dazu erstmals eine valide Bewertungsgrundlage in Form einer Studie veröffentlicht. Die enorme Komplexität der kaum überschaubaren Wechselwirkungen zwischen Hard- und Software sind in dieser Studie auf insgesamt 25 Kriterien und 76 Indikatoren heruntergebrochen. Damit lässt sich die Nutzung von Hardwareressourcen durch Software in klar definierten Standardszenarien präzise ermitteln und vergleichen.

Weniger Speicherzugriffe und doppelte Daten
Ein wichtiger Aspekt betrifft in diesem Zusammenhang die Art und Weise, wie ein Programm auf gespeicherte Daten zugreift, weil dies den Energieverbrauch eines IT-Systems spürbar beeinflussen kann. Denn jeder Zugriff löst Kopiervorgänge zwischen Speichermedien und Hauptspeicher aus, die Prozessoren unterschiedlich stark beanspruchen. Egal ob es um den Druck einer Rechnung oder die Aktualisierung einer Adresse geht: Bei fast jeder Interaktion werden Datensätze aus einer Datenbank gelesen und wieder zurückgeschrieben. Aus Gründen der Nachhaltigkeit gilt es demnach, Redundanzen durch Datendopplung zu vermeiden und den Speicherzugriff auf tatsächlich benötigte Informationen einzuschränken.

Datenbankabfragen können in diesem Kontext ein Ansatzpunkt sein, um Speicherzugriffe zu optimieren. Ein praktisches Beispiel dafür bietet etwa eine Kundenstammdatenstruktur, die aus hundert Datensatzfeldern besteht, von denen im konkreten Fall aber nur zehn inhaltlich relevant sind. In einem derartigen Fall sollte die Abfrage auch nur diese zehn Felder ansprechen und nicht – wie vielfach noch üblich – alle hundert Datenfelder.

Generell lassen sich Datendopplungen durch eine konsolidierte Datenbankbasis vermeiden. Das ist jedoch manchmal nicht so einfach – insbesondere dann, wenn zentrale, datenbankbasierte IT-Systeme, die über das Data Center verwaltet werden (beispielsweise die Controlling- und die CRM-Software eines Unternehmens) von verschiedenen Herstellern stammen. In diesem Fall muss mit zwei verschiedenen Kundendatenstämmen weitergearbeitet werden. Hier gilt es im Einzelfall abzuwägen, inwieweit eine mögliche Energieersparnis aufgrund minimierter Speicherzugriffe inklusive Effizienzgewinn dank vereinheitlichter Datenpflege eine Investitionsentscheidung zugunsten eines neuen, integrierten Systems rechtfertigt, welches sämtliche Anwendungen einer Unternehmenssoftware auf einer einheitlichen Plattform vereint.

Die Rolle von Sprache, Compiler und Betriebssystem
Bis heute liegen noch nicht ausreichend viele systematische Untersuchungen vor, die aufzeigen, welchen Einfluss eine bestimmte Programmiersprache oder ein Compiler auf den Ressourcenverbrauch der damit entwickelten Programme haben. Auch die Studie des Umweltbundesamts lässt diese Frage offen. Gleichwohl stellen funktionsgleiche Programme, die in verschiedenen Entwicklungsumgebungen erstellt wurden, unterschiedliche Ansprüche an die Systemressourcen. Dies wirkt sich aber nur dann auf die Energieeffizienz der Anwendung aus, wenn bestimmte Designprinzipien bei Softwareentwicklung und der Codierung berücksichtigt werden.

Salopp formuliert, führt ein schlecht strukturierter, sogenannter Spagetti-Code in jeder Programmiersprache zu einer ineffizienten Software-Anwendung. Demnach ist eine schlanke, wartungsfreundliche und ressourcenschonende Software-Architektur nach heutigem Kenntnisstand wichtiger als die Festlegung auf bestimmte Sprachen oder Compiler.

Anders sieht es beim Betriebssystem aus, wobei die Nachhaltigkeitskriterien des Umweltbundesamts hierfür genauso gelten wie für jede andere Software auch. Wie groß die Unterschiede im betriebssystembedingten Ressourcenverbrauch sind, zeigt sich beispielsweise im Umfeld der Virtualisierung beim Vergleich verschiedener Container-Technologien: Ein Container mit lediglich zehn Klienten ist fraglos weniger energieeffizient als einer mit doppelt so vielen. Im Marktsegment Virtualisierung zeichnet sich zudem ein Trend in Richtung herstellerübergreifender Plattform-Portabilität von Containern ab, was deren Energieeffizienz vermutlich weiter verbessern wird, weil dies den Einsatz besonders ressourcensparender Container, beispielsweise auf Linux-Basis, ermöglicht.

Wie Software die Nutzungsdauer von Hardware verlängert
Ein weiterer Punkt, der in diesem Kontext von Bedeutung ist, betrifft den Einfluss von Software und Betriebssystemen auf die Nutzungsdauer eines IT-Systems. Allgemein bekannt ist beispielsweise, dass ein Laptop oder Smartphone nach jedem Betriebssystemupdate langsamer läuft – bis es irgendwann soweit ist, dass ein neues Gerät angeschafft werden muss. Würde dieser Effekt bei der Neu- oder Weiterentwicklung von Softwareanwendungen mitbedacht, könnte sich dies in zusätzlichem Maße positiv auf die Nachhaltigkeit des Gesamtsystems auswirken.

Denn: Je länger eine Hardware im Einsatz bleibt, desto länger werden auch all jene Ressourcen ausgenutzt, die für Herstellung, Transport, Vertrieb und Implementierung aufgewendet wurden. Nicht zuletzt wirkt sich die verlängerte Nutzungsdauer und damit die Orientierung an einer nachhaltigen Software-Architektur zudem positiv im Sinne eines sinkenden IT-Investitionsbedarfs aus.

Fazit
Noch können Unternehmen das Ressourcenverhalten einer Software nicht auf den ersten Blick erkennen. Eine Energieeffizienzskala wie beim Kauf von Waschmaschinen und Kühlschränken gibt es für Software nicht. Deshalb empfiehlt die Studie des Umweltbundesamts die Einführung eines Nachhaltigkeitssiegels für Software nach dem Vorbild des Blauen Engels für umweltverträgliche Produkte. Bis ein derartiges Zertifikat Wirklichkeit wird, sollten Unternehmen ihre Software-Anbieter von sich aus nach der Energieeffizienz ihrer Produkte fragen. Zudem lohnt es, sich zu erkundigen, welche Vorkehrungen die dortige Entwicklungsabteilung getroffen hat, um einen Anstieg des Ressourcenbedarfs nach künftigen Updates zuverlässig einzudämmen.

ln/Oliver Henrich, Vice President Product Engineering Central Europe bei Sage

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