Data Democracy im Unternehmen umsetzen

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Data Democracy im Unternehmen umsetzen

22.05.2024 - 13:19
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Kein Zugang zu Daten bedeutet ineffizientes Management und einen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit. Denn die mangelnde Informationsverfügbarkeit führt bei Mitarbeitern zu zeitraubenden Suchen und insgesamt suboptimalen Prozessen. Eine Lösung dafür kann Data Democracy sein. Das Konzept verteilt den Datenzugriff im Unternehmen neu. So verkürzen sich Entscheidungsfindungsprozesse, Ressourcen werden besser genutzt und Mitarbeiter sind befähigt, neue Ideen zu entwickeln.

Data Democracy bezeichnet im Allgemeinen das Konzept, Daten zugänglich zu machen und transparent und partizipativ zu nutzen, um Entscheidungsprozesse zu beschleunigen und qualitativ zu verbessern. Für Unternehmen, die sich für diesen Weg entscheiden, stellt sich zuallererst die Frage des richtigen Ansatzes, um die Daten entsprechend zu organisieren und zu verwalten.

Die Auswahl des passendem Tools und das Einbinden bestehender Systeme und Landschaften in die Gesamtarchitektur der Data Fabric ist bei den meisten Unternehmen meist nicht das größte Problem. Die Herausforderung besteht darin, neben der technischen vor allem die menschliche Ebene zu betrachten und die Verantwortlichkeiten für die Verfügbarkeit und Nutzung der Daten wieder an die Fachabteilungen zu geben.

Ziel ist eine ganzheitliche Datenstrategie, basierend auf einem Data-Mesh-Ansatz, der ein Unternehmen auf den Weg zum data-driven Enterprise bringt. Data Mesh bezeichnet dabei einen soziotechnischen Blick auf die Problematik. Es geht darum, sowohl die Organisation und die Mitarbeiter auf dem Weg der Transformation mitzunehmen und einzubinden als auch darum, dies mit einer zentral zugänglichen aber dezentral organisierten Systemarchitektur, dem Data Fabric, bestmöglich zu unterstützen.

Oftmals hat es sich durch die Historie so entwickelt, dass die Datenverantwortlichkeit in der IT-Abteilung liegt. Der Paradigmenwechsel hin zur Data Democracy bedeutet, dass im Unternehmen die Daten als Wert für das gesamte Unternehmen gesehen werden. Durch eine föderierte Data Governance wird mithilfe der richtigen Prozesse, Abläufe und Rollen sichergestellt, wer in welchen Situationen auf welche Daten zugreifen kann.

Bei diesen Herausforderungen kann Data Democracy unterstützen
Daten sind häufig nur für bestimmte und ausgewählte Personen zugänglich. Es fehlt an Datentransparenz in Abteilungen und bei den Mitarbeitern eines Unternehmens. Dies führt zu Lücken und Fehlern in der Kommunikation und im Informationsfluss. Data Democracy ermöglicht es, Daten im gesamten Unternehmen zu nutzen und zu fördern. Es unterstützt die unternehmensinterne Sichtbarkeit von Prozessen und ermöglicht ein für alle Beteiligten nachvollziehbares Datenmanagement.

Richtig umgesetzt, stärkt Data Democracy die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Der Nutzen liegt auf der Hand:  Beispielsweise verkürzen sich Entscheidungsfindungsprozesse elementar, wenn Mitarbeitende sofort auf relevante Informationen zugreifen können, statt auf Berichte und Analysen von Datenexperten warten zu müssen. Zudem lassen sich Ressourcen im Unternehmen wieder besser einsetzen, indem mehr Angestellte in der Lage sind, selbstständig auf Daten zuzugreifen und sie zu analysieren, statt IT-Abteilungen mit Ad-hoc-Abfragen von anderen wichtigen Aufgaben abhalten zu müssen. Hierzu zählt außerdem, dass Mitarbeitende weit stärker dazu ermutigt sind, neue Ideen zu entwickeln und Geschäftsmöglichkeiten zu erkennen, wenn sich alle entsprechenden Daten einsehen lassen.

Dass sich Mitarbeiter außerdem häufiger und tiefer in Entscheidungsprozesse eingebunden fühlen, trägt zu einer datengestützten Kultur im Unternehmen bei, in der sich Entscheidungen vorwiegend auf Fakten statt auf Annahmen stützen. Die Fähigkeit, Daten im Rahmen von Data Democracy effektiv zu nutzen, kann sich somit perspektivisch zu einer Überlebensfrage für Unternehmen entwickeln.

Kulturveränderung statt Stillstand
Elementar ist, das Konzept von Data Democracy nicht im Sinne von "Alle Daten für alle" zu vereinfachen. Data Democracy soll Unternehmen dazu verhelfen, Daten demokratisch und inklusiv zu nutzen, um Entscheidungen und die Innovation eines Unternehmens zu fördern. Das Ziel ist die Zugänglichkeit von Daten für jeden, für den sie in der jeweiligen Fachabteilung von Nutzen sind.

Den Data Access nicht nur den IT-Abteilungen und den höchsten Managementebenen zu überlassen, bringt für viele Unternehmen nicht weniger als einen grundlegenden Kulturwandel mit sich. Schließlich ist es für langjährige Führungskräfte und bestehende Unternehmen eine fundamentale Veränderung, Verantwortung in andere Hände zu legen und einen breiten Zugang zu bislang exklusiven Informationen zu gewähren. Eine Entwicklung, bei der mit Widerständen zu rechnen ist, die professionell bearbeitet und begleitet werden müssen, wenn Data Democracy zum Erfolg geführt werden soll.

Ist der Daten-Flaschenhals erst einmal aufgelöst, folgen nicht nur deutliche schnellere Arbeitsabläufe, sondern auch eine effizientere Entscheidungsfindung. Zentral ist, dass die Unternehmen erkennen, welch großer Mehrwert in Ihren Daten und deren effizienter Auswertung liegt. Gerade für die effiziente Nutzung der Daten bedarf es aber keiner starren Regeln, sondern Leitplanken, innerhalb derer die Mitarbeitenden sich orientieren können.

Wichtig ist ferner, dass die Fachbereiche genügend Freiheitsgrade behalten, um die Guidelines an ihre Gegebenheiten anzupassen und so die internen Prozesse aktiv mitzugestalten. Das erfordert aber natürlich auch, dass es enge unternehmensweite Abstimmungen gibt, damit übergeordnete Qualitätsvorgaben und -anforderungen eingehalten werden können.

Diese neue Kultur des Umgangs mit Daten setzt vor allem ein hohes Maß an Vertrauen voraus sowie ein verändertes Mindset, das zunächst einmal vorgelebt werden muss, um in jeder Ebene der Belegschaft anzukommen. Dieser Kulturwandel ist die größte Hürde – aber eben auch die wirksamste Veränderung – auf dem Weg zum datengetriebenen Unternehmen.

Risiken und Gefahren
Bedenken gegenüber Data Democracy beziehen sich meist auf die Themen Datenschutz und Sicherheit. Eine breite, ungeregelte Bereitstellung von Informationen birgt in der Tat das Risiko für Datenschutzlecks und unbefugten Zugriffen auf sensible Elemente. Dem wirkt eine korrekte Einführung von Data Governance entgegen. Hierfür werden die Prozesse, Abläufe und Rollen in der Umgebung geschaffen, in der zunächst für die Implementierung von Zugriffssteuerungen und Verschlüsselungen gesorgt wird und im zweiten Schritt die Mitarbeitenden sorgfältig im Umgang mit dem neuen Informationsreichtum geschult werden. So lassen sich potenzielle Sicherheitsrisiken minimieren.

Ein weiteres Risiko stellt die plötzliche Informationsüberlastung dar, die entsteht, wenn alle den ungefilterten Zugriff auf umfangreiche Daten erhalten. Hier ist es wichtig, effektive Schulungen mit einem klaren Fokus auf Data Literacy durchzuführen. In diesen lernen Mitarbeitende, Daten effektiv zu analysieren und relevante Erkenntnisse herauszufiltern. Für eine neue, datengesteuerte Zukunft muss die Belegschaft also die nötigen Fähigkeiten an die Hand gegeben bekommen, Daten richtig zu verstehen und zu interpretieren. Eine genaue Kommunikation zwischen allen Akteuren ist ausschlaggebend, damit jeder sich an die neue Rolle, beziehungsweise die neue Arbeitsumgebung gewöhnen kann.

Dazu gehört auch, eine intensivere Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen einzuüben, die der Austausch von Daten und das Teilen von Erkenntnissen und Analysen befördert. Die praktische Umsetzung von Data Democracy erfordert geeignete Hilfsmittel und Methoden, um die neue Datenkultur zu fördern und reibungslose Abläufe zu gewährleisten. Ein Hilfsmittel kann das RACI-Modell sein, das von der BTC Gruppe bereits erfolgreich angewendet wird. Es hilft dabei, die Rollen und Verantwortlichkeiten bei der Umsetzung von Data Democracy klar zu definieren. Das RACI-Model steht für

  • Responsible: Wer ist verantwortlich, einen Prozess in Gang zu bringen und zu überblicken?                                           
  • Accountable: Wer ist zuständig für die Abwicklung des Prozesses?
  • Consulted: Mit welchen weiteren Mitarbeitenden müssen die Informationen geteilt werden?
  • Informed: Welche Mitarbeitenden müssen über den Verlauf und die Ergebnisse eines Prozesses informiert werden?

Auch Checklisten und Schritt-für-Schritt-Anleitungen sind wichtige Tools, um die Umsetzung von Data Democracy im Implementierungsprozess zu strukturieren. Checklisten enthalten Punkte wie die Identifizierung relevanter Datenquellen, die Festlegung von Zugriffsrechten und die Einführung von datenbasierten Entscheidungsprozessen.

Branchenbeispiel: Relevanz von Data Democracy im Energiesektor
In der Energiewirtschaft ist die Datenflut enorm und wird stark steigen. Von Sensordaten der Smart Grids bis hin zu lokalen Wetterprognosen. Diese Informationen bieten ein enormes Potenzial für Effizienzsteigerung, Kostenreduktion und die Integration von Flexibilitäten und erneuerbaren Energiequellen. Hier kommt Data Democracy ins Spiel. Es geht darum, allen Beteiligten, von Ingenieuren und Analysten bis hin zu Managern und sogar Endverbrauchern, Zugriff auf relevante Daten zu geben. Dies ermöglicht Ihnen ökonomisch und am besten nachhaltig sinnvolle Entscheidungen zu treffen.

Zusätzlich erfordert die schnelle Abfolge von regulatorischen Änderungen in Deutschland von den Unternehmen ständige Anpassungen. Die Umsetzung neuer Gesetze und Verordnungen, insbesondere in Bezug auf die Energiewende, kann für Unternehmen sowohl eine Herausforderung als auch eine Chance sein. Data Democracy kann hier Abhilfe schaffen, indem es den schnellen und demokratisierten Zugang zu relevanten Daten erleichtert. Dies ermöglicht eine schnellere Anpassung an neue Rahmenbedingungen und fördert die Compliance.

In datengetriebenen Unternehmen innerhalb der Energiewirtschaft dient eine solide Datenstrategie nicht nur der Effizienz, sondern auch der Resilienz und Nachhaltigkeit. Durch die Demokratisierung von Datenzugang und -analyse lässt sich die Innovationsgeschwindigkeit erhöhen, was gerade in Zeiten zahlreicher und schneller Veränderungen von großem Vorteil ist. Die Einbindung vieler Akteure in den Datenfluss erhöht zudem die Transparenz, was in Zeiten steigender regulatorischer und gesellschaftlicher Anforderungen an die Energiewirtschaft ein nicht zu unterschätzender Vorteil ist.

In einigen Teilen ist die Energiebranche bereits gut aufgestellt, was datengetriebene Entscheidungen betrifft. So ist die Nutzung der bestehenden Berichte und Auswertungen weit fortgeschritten. In vielen Fachbereichen sitzen schon datenaffine Analysten, die mit einer breiten Datenbasis versorgt werden und Entscheidungen gut vorbereiten oder gar selbst treffen können. Bei neuen oder geänderten Anforderungen besteht jedoch weiterhin oftmals das typische Flaschenhals-Problem durch eine zentrale IT. Die einzelnen Fachbereiche haben kein abgestimmtes Vorgehen, eine übergreifende Strategie inklusive sinnvoller Governance ist nicht gegeben. Dies führt oftmals zu Wildwuchs, was den Bedarf erhöht, eine umfassende Data Democracy aufzubauen und zu implementieren.

Fazit
Data Democracy ist angesichts eines verschärften globalen Wettbewerbs von großer Bedeutung, da es Unternehmen in die Lage versetzt, das volle Potenzial ihres Datenbestands auszuschöpfen. Es ermöglicht einen breiten Zugang zu Daten durch Personengruppen, die bislang von der Nutzung ausgeschlossen oder mit spezifischen Informationen unterversorgt waren, die aber hochgradig relevant für Transparenz und gute Entscheidungsprozesse sind. Die Umsetzung erfordert einen umfassenden, professionell begleiteten Kulturwandel, eine stringente Planung der Umsetzung, klar formulierte Ziele sowie ein effektives Projektmanagement.

ln/Stephan Schlicker, Head of Analytics & Data Strategy bei der Five1 GmbH
und Tomke Mehrtens, Manager SAP Analytics bei der BTC AG

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