Archivierungspflichten für digitale Daten und E-Mails

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Archivierungspflichten für digitale Daten und E-Mails

26.03.2010 - 12:07
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Elektronische Daten unterliegen einem wesentlich höheren Verlustrisiko als Papierakten. Das liegt insbesondere an technischen Störungen wie Systemausfällen oder Festplattencrashs. Die Datensicherung ist deshalb ebenso bedeutsam wie die Archivierung. Die fortschreitende Umstellung auf elektronische Kommunikationsformen sollte dabei nicht darüber hinwegtäuschen, dass gesetzliche Archivierungspflichten auch für E-Mails oder Instant-Messaging-Daten (IM) gelten. IT-Administrator zeigt Ihnen, worauf Sie achten müssen.

Jeder Kaufmann sowie jede GbR, GmbH und AG ist nach § 257 Abs. 1 HGB zur geordneten Aufbewahrung von geschäftlichen Unterlagen verpflichtet. Dies betrifft Handelsbücher, Bilanzen, Jahresabschlüsse und Lageberichte ebenso wie die empfangenen und versandten Handelsbriefe, Buchungsbelege, erforderliche Arbeitsanweisungen und sonstige Organisationsunterlagen. Dabei definiert die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) den Begriff des Handelsbriefes sehr weit. Es genügt ein entfernter, lockerer Zusammenhang mit betrieblichen Interessen.

Steuerrechtliche Aufbewahrungspflichten
Im Rahmen des Steuerrechts gelten sämtliche der oben benannten kaufmännischen Unterlagen beziehungsweise Daten als aufbewahrungspflichtig nach § 147 Abs. 1 AO. Das gilt auch für sonstige Unterlagen, soweit sie für die Besteuerung bedeutsam sind. Bei Verletzung der Archivierungspflichten liegt keine ordnungsgemäße Buchführung vor und es erfolgt eine ungünstige Schätzung der Besteuerungsgrundlagen (§ 162 AO), sofern nicht sogar der Verdacht der Steuerhinterziehung entsteht.

Mit Ausnahme der Jahresabschlüsse und Eröffnungsbilanzen können die aufbewahrungspflichtigen Unterlagen auch digital aufbewahrt werden. Dabei muss sichergestellt sein,
 

  • dass die abgespeicherten Dokumente mit den "empfangenen" Handels- oder Geschäftsbriefen und den Buchungsbelegen bildlich und mit den anderen Unterlagen inhaltlich übereinstimmen, wenn sie aufgerufen werden (§147 Abs. 2 AO).
  • dass die abgespeicherten Dokumente während der Dauer der Aufbewahrungsfrist jederzeit verfügbar sind, unverzüglich lesbar gemacht und maschinell ausgewertet werden können (§147 Abs. 2 AO). Der Steuerpflichtige muss auf seine Kosten diejenigen Hilfsmittel zur Verfügung stellen, die erforderlich sind, um die Unterlagen lesbar zu machen; auf Verlangen der Finanzbehörde hat er auf seine Kosten die Unterlagen unverzüglich auszudrucken oder lesbare Reproduktionen beizubringen (§147 Abs. 5 AO).

Die "Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme" (GoBS) des Bundesfinanzministeriums vom 07.11.1995 verlangen die Unveränderlichkeit der Archivierung. Das eingesetzte DV-Verfahren muss gewährleisten, dass alle Informationen, die in den Verarbeitungsprozess einfließen, erfasst und zudem nicht mehr unterdrückbar sind. Eine einmal erfolgte Buchung darf nicht verändert werden. Fehlerhafte Buchungen gilt es daher wirksam und nachvollziehbar durch Stornierungen oder Neubuchungen zu ändern. Sollte eine Änderung ausnahmsweise doch einmal anfallen, muss der Originalzustand der übermittelten Daten erkennbar sein (§ 146 Abs. 4 AO).

Die Speicherung hat auf einem Datenträger zu erfolgen, der Änderungen nicht mehr zulässt. Bei einer temporären Speicherung auf einem änderbaren Datenträger muss das Datenverarbeitungssystem Änderungen unmöglich machen. Bei Einsatz von Kryptographie (etwa Verschlüsselung durch digitale Signatur) sind die verschlüsselte und die entschlüsselte Version sowie der Signaturschlüssel aufzubewahren (II.2 GDPdU, "Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen", die am 16.07.2001 vom Bundesfinanzministerium erlassen wurden).

Im Hinblick auf die Datensicherheit sind Risiken für die gesicherten Datenbestände hinsichtlich Unauffindbarkeit, Vernichtung und Diebstahl zu vermeiden. Systematische Verzeichnisse über die gesicherten Datenbestände sollen das Risiko der Unauffindbarkeit ausschließen. Das Risiko der Vernichtung der Datenträger ist durch geeignete Aufbewahrungsorte zu vermeiden.

Nach der GoBS können als Datenträger für die Archivierung eingesetzt werden:
 

  • Bildträger (Mikrofilm, Fotokopie)
  • maschinenlesbare Datenträger (Disketten, Magnetbänder, elektrooptische Speichermedien)
  • digitale Datenträger (CD-ROM,DVD)

Der Gesetzgeber hat zur Archivierung von Unterlagen auf digitalen Datenträgern bewusst keine bestimmte Technologie vorgeschrieben. So muss beispielsweise nicht zwingend eine digitale Signatur verwendet werden. Mit Ausnahme der Jahresabschlüsse und der Eröffnungsbilanz ist die Speicherung und Archivierung der aufbewahrungspflichtigen Unterlagen auf digitalen Datenträgern zulässig. Auch bei Dokumenten- Management-Systemen (DMS) gelten die GoBS entsprechend.

Bereits digital erzeugte Unterlagen sind auf maschinell lesbaren und auswertbaren Datenträgern zu archivieren. Die originär digitalen Unterlagen dürfen nicht ausschließlich in ausgedruckter Form oder auf Mikrofilm aufbewahrt werden. Somit reicht die Aufzeichnung im COM-Verfahren (Computer-Output- Mikrofilm) nicht mehr aus. Das verbietet – anders als im Handelsrecht – ein beliebiges Wechseln des Mediums von Datenträger auf Papier. Originäre Papierdokumente darf das Unternehmen dagegen nach bestimmten Kriterien einscannen und in elektronischer Form archivieren. Nicht ausreichend ist auch die ausschließliche Archivierung in maschinell nicht auswertbaren Formaten, z. B. als PDF-Datei (III.1 GDPdU).

Es gelten die folgenden steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen:
 

  • Handels- oder Geschäftsbriefe sowie alle sonstigen Unterlagen, soweit für die Besteuerung bedeutsam: 6 Jahre lang (§ 147 Abs. 3 AO)
  • Bücher, Jahresabschlüsse, Buchungsbelege et cetera: 10 Jahre lang
  • Ablaufhemmung: Die Frist läuft nicht ab, solange die Unterlagen für die Besteuerung von Bedeutung sind (§147 Abs. 3 Satz 3 AO)

Elektronische Betriebsprüfung
Bei elektronisch erstellten und aufzubewahrenden Unterlagen hat das Finanzamt das Recht, im Wege einer Außenprüfung die gespeicherten Daten im System des Steuerpflichtigen einzusehen (§ 147 Abs. 6 AO). Auch eine maschinelle Auswertung auf Kosten des Steuerpflichtigen fällt in diese Außenprüfung. Bei der Ausübung des Rechts auf Datenzugriff unmittelbar im Datenverarbeitungssystem des Steuerpflichtigen haben die Finanzbehörden nur einen Lesezugriff. Dabei darf nur mit Hilfe der Hard- und Software des Steuerpflichtigen auf die elektronisch gespeicherten Daten zugegriffen werden. Eine Fernabfrage (Online-Zugriff) auf das Datenverarbeitungssystem des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde ist nicht möglich. Dies soll eine Veränderung des Datenbestandes und des Datenverarbeitungssystems des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde ausschließen. Die Finanzbehörde kann ferner die Überlassung der gespeicherten Unterlagen auf einem Datenträger verlangen (I.1 GDPdU mit näheren Erläuterungen der Vorgehensweise der Finanzbehörden). Im Überblick die nachfolgenden Zugriffsmöglichkeiten Z1 bis Z3 des Prüfers:
 

  • Unmittelbarer Zugriff: Prüfung auf dem Inhouse-System des zu prüfenden Unternehmens.
  • Mittelbarer Zugriff: Das Unternehmen oder ein beauftragter Dritter werten die Daten nach Vorgaben des Prüfers aus.
  • Datenträgerüberlassung: Überlassung der Daten an den Prüfer auf einem geeigneten Medium, etwa auf einem selbsttragenden IPro3i- IDEA-Archiv

Wichtig:

  • Wahlmöglichkeit des Prüfers auch kumulativ
  • Nur Zugriff auf steuerrechtlich relevante Unterlagen

Auch Rechnungen sind grundsätzlich Buchungsbelege. Ein Unternehmen kann die Rechnung in Form einer Papierurkunde oder einer elektronischen Abrechnung, die mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, erteilen (§ 14 Abs. 4 UStG). Der Vorsteuerabzug erfolgt bei der elektronischen Rechnung nur mit einer qualifizierten digitalen Signatur. Da die digitale Signatur keine ausreichende Verbreitung gefunden hat, überwiegt in der Praxis immer noch die Papierform, was den elektronischen Handel (E-Commerce) nicht unerheblich behindert.

Aufbewahrungspflichten nach sonstigen Vorschriften
Neben Handels- und Steuerrecht existiert eine ganze Reihe weiterer Aufbewahrungspflichten:
 

  • Alle gesetzlichen Bestimmungen, die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung gewähren (so etwa die §§ 259, 666, 667 BGB)
  • Vorlegungspflichten und Beweislast im Prozess. Bei Verletzung von Aufbewahrungspflichten droht Prozessverlust, denn es wird ohne Beweisverfahren der vom Gegner behauptete Vortrag als bewiesen angesehen (§ 444 ZPO, OLG Düsseldorf)
  • Bei Fristsetzung des Gerichts muss rechtzeitiger Zugriff auf Archivdaten gewährleistet sein, ansonsten droht Ausschluss des Vortragsrechts wegen Verspätung (Präklusion)
  • Jede ordentliche Geschäftsführung erfordert grundsätzlich die Beachtung der Aufbewahrungs- und Archivierungspflichten – etwa die gesamte E-Mail- oder IM-Korrespondenz, Protokolle von Meetings, Entwürfe und Notizen aller Art et cetera – die im Streitfall gebraucht werden könnten.

Horst Speichert/dr/ln

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