Next Level First Level – neue Ansätze im Support

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Next Level First Level – neue Ansätze im Support

10.05.2023 - 07:05
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Trotz hochmoderner und kostspieliger Software sieht sich der IT-Support vieler Unternehmen immer wieder mit denselben Problemen konfrontiert: Zu lange Bearbeitungszeiten, schlechte Lösungsraten und Unzufriedenheit bei Endanwendern wie Mitarbeitern. Ein Perspektivwechsel weg von gängigen Kennzahlen und hin zur Fokussierung auf die Bedürfnisse der First-Level-Mitarbeiter kann hier Abhilfe verschaffen. Mehr zum neuen Ansatz im IT-Support sowie den Umsetzungsmöglichkeiten lesen Sie in unserem Artikel.

Schon vor dem Öffnen der Tür erschallt misstönender Lärm: Verärgerte Stimmen, hektisches Tippen und schrille Klingeltöne. Bei einem Blick in den dahinterliegenden Raum: überfrachtete Schreibtische, blinkende Anzeigen und gestresste Menschen. Die Polizeileitstelle einer Großstadt? Die Notrufzentrale? Nicht ganz: Nur die IT-Support-Abteilung eines durchschnittlichen Unternehmens.

Leider handelt es sich dabei um eine nicht unrealistische Beschreibung. Denn im Rahmen der zunehmenden Digitalisierung von Unternehmen wachsen natürlich auch die Anforderungen im IT-Support. Speziell im First-Level-Support wächst der Stress und damit die Unzufriedenheit aller Beteiligten. Die Folge: Es kommt zu Engpässen, die im schlimmsten Fall das ganze Unternehmen ausbremsen.

Alt bleibt alt – auch mit neuem Anstrich
Die häufigste Idee zur Problemlösung: Ein neues Service Desk Tool. Voller Begeisterung macht sich die IT-Leitung ans Werk, mit dem flotten Lied vom neuen, innovativen Service Desk auf den Lippen. Für die Supportmitarbeiter ist es jedoch oft eine altbekannte Leier: Manager und IT-Leiter stecken die Köpfe zusammen und diktieren dem beauftragten Systemintegrator, wie das neue Tool zu funktionieren hat.

Es soll Kennzahlen verbessern und dabei noch recht günstig sein. Vor allem soll es aber die IT-Abteilung in neuem Glanz erstrahlen lassen. Oft wird dann so lang am Tool herumgeschraubt, bis es den Anforderungen des Managements entspricht und genauso aussieht wie vorher. Nur in einer anderen Farbe. Das Ende vom Lied: Viel Arbeit für nichts. Alles bleibt gleich, es sieht nur anders aus. Im schlimmsten Fall durchläuft der Service Desk mitunter nun mehrere Runden an Neuimplementierungen - mit entsprechend hohem Aufwand und überbordenden Kosten.

Gründe für das Scheitern
In diesem Zusammenhang führen mehrere Faktoren oft zu nicht unerheblichen Fehlinvestitionen: Die Verwendung veralteter Pflichtenhefte, die bloße Preisfokussierung nach der Devise "Hauptsache billig" und die Ablehnung gängiger ITIL-Standards. Dennoch – der ausbleibende Erfolg zeigt immer wieder eindrücklich, dass das Service Desk Tool nicht der eigentliche Grund für das Problem ist. Die gesammelten, leidvollen "Highlights" vieler Beratungshäuser verdeutlichen, was so verkehrt am bestehenden Ansatz ist:

  • "Manager und IT-Leiter stecken die Köpfe zusammen": Normalerweise entscheiden Personen über Vorgehen und Tool, die selbst nicht damit arbeiten. In der Folge werden hochtrabende Ziele formuliert und theoretische Prozesse entworfen, die mit der Realität am Service Desk nichts zu tun haben.
  • "Diktat an den Systemintegrator": Der Systemintegrator, der für die Implementierung zuständig ist, muss sich an strikte Anweisungen halten, obwohl er eigentlich bessere Ideen zur Umsetzung hat.
  • "Kennzahlen-Wahnsinn": Es werden Kennzahlen entwickelt, ohne sich zu überlegen, was sich später aus diesen ableiten lassen soll.
  • "Der neue Glanz der IT-Abteilung": Mit einem neuen Service Desk Tool will sich der ein oder andere IT-Vorgesetzte lediglich ein Denkmal setzen und zeigen, dass er alles besser macht als sein Vorgänger. Ein Schuss, der allzu oft nach hinten losgeht.
  • "Was nicht passt, wird passend gemacht": Alles, was am neuen Tool anders ist, ist zwingend anzupassen, damit es genauso funktioniert wie das alte. Also werden Ticket-Altdaten übertragen und sonstige Altlasten mitgezerrt, was nicht selten in Neuprogrammierungen endet.
  • "Resignierte Supportmitarbeiter": Die Mitarbeiter im Service Desk werden vernachlässigt und nicht bezüglicher neuer Ideen angehört.

Neue Blickwinkel stets gewöhnungsbedürftig
Bis hierher sollte jedem IT-Verantwortlichen klar geworden sein, dass das althergebrachte Vorgehen keine wirklichen Erfolgschancen hat. Der springende Punkt ist allerdings die Perspektive. Denn bei einem Blick durch die Augen eines Supportmitarbeiters an ergibt sich ein ganz anderer Fokus. Dabei ist schnell klar: Meist ist schlichtweg keine Zeit für Sperenzchen vorhanden – etwa neue, sperrige Arbeitsabläufe mit zusätzlichen Pflichten, ausufernden Dokumentationsfeatures oder ähnliches.

Kommt die IT-Leitung also mit dem schlichten lahmen Argument einer neuartigen und verbesserten Dokumentation um die Ecke, hat sie oft bereits verloren. Auch Prozessänderungen oder ähnlich theoretischer klingende Vorschläge verhallen nicht selten wirkungslos bei den Mitarbeitern. Denn nichts davon befähigt sie am Telefon, Störungen schneller erkennen oder beheben zu können.

Client oft noch Black Box
Oft erwartet einen Supportmitarbeiter aktuell ein regelrechter Blindflug. Das beginnt bereits beim Anruf eines Anwenders. Um herauszufinden, auf welchem Client die Störung – beispielsweise ständig abstürzende Software – vorliegt, muss er den Anrufer erst einmal dazu auffordern, sein Arbeitsgerät nach der Clientnummer abzusuchen. Hat er diese schließlich gefunden, folgt das Durchstöbern einer Sammlung diverser Softwareanwendungen - meist ohne Ergebnis. Die sogenannte "Black Box Client" bleibt dunkel wie die Nacht, Störung und Ticket ungelöst und der Anwender arbeitsunfähig.

Doch wie wird aus dem Blindflug eine sichere Landung? Ein Gedankenspiel: Ein Anwender ruft an und der Supportmitarbeiter erkennt auf einen Blick Clientnummer, Gerätedaten und mögliche Störungsursache. Neben dieser Anzeige findet er einen Button zur sofortigen Störungsbehebung sowie die Möglichkeit zur Ticketbearbeitung. Der Fall wäre unter Umständen innerhalb von Sekunden gelöst und dokumentiert.

Auf diese Weise kristallisiert sich eine Lösung heraus, die gar nicht so kompliziert ist: Eine Art digitale Schaltzentrale für den First-Level-Support, die die Informationen aus vielen Einzelanwendungen zentral bündelt, auswertet und übersichtlich darstellt. Würde sie darüber hinaus aktive Möglichkeiten zur Beseitigung gängiger Störfälle beinhalten sowie auch die zugehörige Ticketbearbeitung integrieren, entstünde daraus tatsächlich ein multifunktionales Software-Tool – ein leistungsstarker Scheinwerfer, um die Black Box Client endlich ausleuchten zu können.

Mit frischen Ansätzen zum Erfolg
Der wichtigste Schritt für ein erfolgreiches Service-Desk-Projekt ist jedoch der Perspektivwechsel. Denn, um echte Begeisterung bei den eigenen Mitarbeitern zu wecken, ist es essenziell, deren Bedürfnisse zu kennen. Dieser richtungsweisende Ansatz bildet ein stabiles Fundament für alle weiteren Handlungsschritte wie Ausschreibung, Toolauswahl und letztlich die Implementierung einer neuen Software oder die Umsetzung einfacherer Prozesse. Folgende Ansätze gilt es also Punkt für Punkt zu berücksichtigen:

  • Perspektivwechsel: Untersuchen Sie die Bedürfnisse Ihrer Mitarbeiter im First-Level-Support. In der Regel wollen diese schnell, effektiv, selbstbestimmt und einfach arbeiten können und ohne großen Aufwand Erfolge erzielen. Sie brauchen eine Anwendung, die Information, Administration und Dokumentation in einer Oberfläche bietet. Innovative Produkte hierzu sind am Markt verfügbar. Um sie zu finden, heißt es, über den Tellerrand der Platzhirsche hinwegzuschauen.
  • Bedarfsermittlung: Ist für die Erfüllung der beschriebenen Bedürfnisse tatsächlich ein komplett neuer Service Desk nötig? Oder reicht möglicherweise eine ebenso innovative wie integrative Ergänzung vollkommen aus?
  • Aktualisierung von Ausschreibungsunterlagen: Wenn Sie neue Software anschaffen wollen, werfen Sie alte, zigfach kopierte Pflichtenhefte in die Tonne und erstellen Sie aktuelle Vorgabenlisten.
  • Beauftragung eines Systemintegrators mit Prozesserfahrung: Suchen Sie einen Systemintegrator, der auf das Thema Service Desk spezialisiert ist und entsprechende Erfahrung aufweisen kann. Diktieren Sie ihm nicht stur, wie die Lösung auszusehen hat und lassen Sie neue Denkansätze zu.
  • Akzeptanz von Standards: ITIL ist allgegenwärtig und ohnehin gängiger Standard in allen modernen Anwendungen. Akzeptieren Sie diese.
  • Vermeidung von unnötigem Customizing: Umfangreiche Anpassungen sind teuer und untergraben oftmals innovative Funktionen und Ansätze.
  • Verantwortlichkeiten: Beziehen Sie Ihre Mitarbeiter – und vor allem den First Level – in alle Projektschritte mit ein und verteilen Sie klare Verantwortlichkeiten.
  • Schulungen: Ein neues Tool sollte immer mit Schulungsmaßnahmen einhergehen. Am besten nehmen Sie selbst vor dem Kauf einer Lösung an einer Schulung teil, um einen umfassenden Überblick und einen Eindruck von der Dienstleistungsqualität des Anbieters zu bekommen.

Befolgen Unternehmen diese Supportratschläge, sind unter anderem schnellere Reaktions- und Bearbeitungszeiten, eine verbesserte Erstlösungsrate und mehr Produktivität die sichere Folge. Mit dem richtigen Ansatz dürften auch bald die Kennzahlen nachziehen und es lassen sich positive Effekte für das Gesamtunternehmen erzielen.

Fazit
Mehr Effizienz am Service Desk erreichen IT-Verantwortliche nicht immer nur durch radikale Neuimplementierungen. Der wichtigste Schritt ist, die Manager-Brille abzunehmen und die Mitarbeiter bei ihren Bedürfnissen im Arbeitsalltag abzuholen. Ziel ist es, das Supportteam aus seinem Hamsterrad zu befreien. Dies führt zu mehr Motivation und weckt den Willen, gemeinsam Verbesserungen auf einem neuen Level zu erreichen.

ln/Linda Schmittner ist PR-Verantwortliche bei Consulting4IT

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