Nachwuchssorgen bei der Mainframe-Administration

Lesezeit
3 Minuten
Bis jetzt gelesen

Nachwuchssorgen bei der Mainframe-Administration

23.06.2021 - 14:00
Veröffentlicht in:
Mainframe-Technologie wird nach wie vor bei 92 der 100 größten Banken der Welt, 23 der 25 größten Fluggesellschaften und den zehn größten Versicherern weltweit eingesetzt. Mainframe-Nutzer sehen sich aber zunehmend Schwierigkeiten gegenübergestellt, den Eigenbetrieb nachhaltig sicherzustellen. Nicht die Wirtschaftlichkeit ist dabei das Problem: Die Herausforderung lautet, junge Talente zu finden, als Mainframe-Experten auszubilden und ans Unternehmen zu binden – oder Alternativen zu finden.
Der hohe Reifegrad der Mainframe-Technologie ist für Großunternehmen weiterhin ein Argument für deren Einsatz. Mehr noch: Laut einer aktuellen Befragung von BMC sehen 86 Prozent der Anwenderunternehmen in Deutschland eine langfristige Perspektive für Mainframes und erwarten hier sogar Wachstum: Für das Jahr 2021 werden beispielsweise fast 900 Milliarden Transaktionen im bargeldlosen Zahlungsverkehr erwartet – mit steigender Tendenz. Hinzu kommen immer mehr Workloads vor dem Hintergrund von IoT- und Big-Data-Anwendungen.

Admin-Wissen über Mainframes schwindet
Trotzdem geraten Mainframe-Know-how und Weiterentwicklung angesichts der Fokussierung auf Open Systems und Cloud Computing zunehmend ins Hintertreffen. Die derzeit betreuenden Experten begleiten den Mainframe-Betrieb teils seit Jahrzehnten. Aber wie lange noch? 20 Prozent der vorhandenen Experten verließen die Unternehmen in den letzten fünf Jahren. Bereits im Jahr 2018 konnten 67 Prozent der Positionen im Mainframe-Umfeld nicht mehr besetzt werden. Laut den Analysten von Forrester fehlen deshalb "Unternehmen die Experten, um die Mainframes zu betreiben, zu modernisieren oder sukzessive auf Cloudplattformen zu transferieren".

Eine Marktsichtung der Sourcing-Managementberatung microfin hat ergeben, dass es bereits heute schwierig ist, ausreichend Mainframe-Betriebsexperten im deutschsprachigen Arbeitsmarkt zu finden. Eine Verschärfung der Wettbewerbssituation um geeignete Mainframe-Experten ist absehbar. Doch was ist die Ursache für diesen Ressourcenengpass? Wenn der Markt Mainframe-Betriebsexperten nachfragt, wieso findet das nicht ausreichend Niederschlag in der Ausbildung an den Universitäten? Unternehmen müssen sich deshalb heute und zukünftig wappnen, um im "war for young talents" zu bestehen.

Ansatz 1: Universitäre Ausbildungsinitiativen
Wo keine Ausbildung, da kein akademischer Nachwuchs. Werden Mainframe-Experten gebraucht, besteht auch ein Arbeitsmarkt und ein Anreiz, sich für diesen Markt auszubilden. Soweit die Theorie. In der Praxis zeigt die microfin-Marktsichtung: Das Ausbildungsangebot für Mainframe-Betriebsspezialisten ist dürftig und bleibt voraussichtlich weiterhin auf niedrigem Niveau. Unter den relevanten Studienrichtungen (zum Beispiel MINT-Fächer) halten jedoch nur wenige Universitäten im deutschsprachigen Raum Vorlesungen im Bereich der Mainframe-Technologie.

Umfragen unter Informatik-Studenten bezüglich der Interessen zeigen ein breites Bild moderner Technologien – Mainframes werden hier kaum genannt. Vermutlich ist das bei vielen Studenten vorhandene "Dinosaurier"-Image der Technologie nicht besonders förderlich. Mainframe-Social-Media-Groups existieren, besitzen aber nur wenige Follower in der relevanten Zielgruppe und finden kaum Beachtung. Junge Absolventen konzentrieren sich bei der Wahl des zukünftigen Betätigungsfeldes auf andere Technologien.

Ein etwas anderes Bild zeigt sich bei unabhängigen Ausbildungsangeboten. So entstanden in den letzten Jahren durchaus Initiativen, um dem absehbaren Mangel entgegenzuwirken – zum Beispiel das deutsche Mainframe Massive-Open-Online-Course-Projekt/MOOC. Hier besteht deutlich mehr Interesse – relativ. Absolut gesehen bleiben die Absolventenzahlen aber relativ gering.

Ansatz 2: Ausbildung durch Hardware-Anbieter und Schulungspartner
Auch IBM, weltweit meist verbreiteter Mainframe-Hersteller, fördert die Ausbildung von Nachwuchstalenten; das Aus- und Weiterbildungsangebot der IBM selbst sowie bei ihren Trainingspartnern ist aber inkonsistent und lückenhaft. Sowohl die aktiven unabhängigen Schulungsanbieter als auch die innerbetrieblichen Aus- und Weiterbildungsinitiativen der IT-Outsourcing-Dienstleister führen zumindest im deutschsprachigen Raum nicht zu der benötigten Anzahl an Experten.

Ansatz 3: Ausbildung im Ausland
Kommen Nearshore-Länder als Talentpool in Frage? Kaum – im Nearshore-Ausland sind Verfügbarkeit von Mainframe-Personal und Ausbildungssituation noch prekärer als in Deutschland. Ausbildungsinitiativen befinden sich teils nur im Planungsstatus, teils wurden Ausbildungsprogramme nicht weiterverfolgt.

Ansatz 4: Ausbildung on the job
Der heute überwiegende Weg, sich Expertise anzueignen, ist Training "on the job". Die Anwendung und der kontinuierliche Ausbau der Kenntnisse sind dafür ebenso wichtig wie die Kenntnisse der jeweiligen Mainframe-Umgebungen und Nutzerspezifika. Dass funktioniert, wenn bereits genügend ältere Expertise vorhanden ist. Eigeninitiierte Aus- und Weiterbildungsprogramme sind mit hohen Investitionen verbunden. Die längerfristige Bindung der dann ausgebildeten Experten an das eigene Unternehmen ebenso. Hier sind also strategische Entscheidungen gefordert. Kurzfristige Kurswechsel gestalten sich schwierig.

Das Fundament für den erfolgreichen Weiterbetrieb von Mainframes ist die kontinuierliche Steigerung der Attraktivität, der Ausbildung und der Unterstützung für junge Nachwuchskräfte. Das "Skills Game" ist ein langes Spiel. Jahrzehntelange Erfahrung der Babyboomers lässt sich nicht einfach ersetzen. In diesem Zusammenhang sind Mainframers wie guter Wein: Es dauert Jahre, um zu reifen und den vollmundigen Geschmack zu entwickeln.

Attraktivität und Wirtschaftlichkeit entscheiden
Fest steht: Die Generation Z ist nur in Einzelfällen für Mainframe-Jobs zu begeistern. Die Technologie spielt derzeit keine Rolle in der Erlebniswelt der Studierenden, und ohne neue Incentives dürfte sich daran kaum etwas ändern. Wer als Unternehmen strategisch auf Mainframes setzt, muss Eigeninitiative zeigen.

Wie kommt ein potenzieller Interessent mit Mainframe in Berührung, und wie schafft er daraufhin den Sprung in den Mainframe-Job? Es wird notwendig sein, das Interesse an Mainframes frühzeitig zu wecken und mit Informationskampagnen an junge Talente heranzutreten. Als noch bedeutender erscheint es jedoch, Brücken zu bauen, die Young Talents helfen, den Weg von der Ausbildung in den Job zu finden. Zusätzlich ist ein Langzeitversprechen der Unternehmen an die jungen Absolventen erforderlich. Die Perspektive – auch im Falle einer unternehmensstrategischen Entscheidung zur Migration der Mainframe-Technologie – eine Beschäftigungsgarantie zu erhalten, wird das Vertrauen in das Tätigkeitsfeld und das Unternehmen stärken.

Fazit
Letztlich müssen die Investitionen für Mainframe-Initiativen gegen den langfristigen Nutzen der Technologie gerechnet werden. Anwenderunternehmen sollten sich vor dem Hintergrund der Nachwuchssicherung die Frage stellen, ob sich der Mainframe-Eigenbetrieb dauerhaft und kosteneffizient sicherstellen lässt. Bedeutet es doch die Entscheidung zwischen Weiterbetrieb von Mainframe oder Auslagerung der Technologie respektive Migration der Anwendungen in die Cloud.


ln/Irina Shapiro, Business Development Manager bei der microfin Unternehmensberatung

Ähnliche Beiträge

Im Test: Heimdal Patch & Asset Management

Ein zeitgemäßes Patchmanagement darf sich angesichts der vielfältigen Bedrohungen nicht allein auf die Microsoft-Produkte konzentrieren, sondern muss sich auch verbreiteten Drittanbieteranwendungen widmen. Der dänische Anbieter Heimdal Security geht noch einen Schritt weiter und hat eine ganze Suite zum Schutz vor Cyberbedrohungen im Programm. Mit dem Fokus auf das Patchen haben wir uns das cloudbasierte Angebot genauer angesehen.

Device-Management mit Microsoft Intune und Office 365 - Zwei Wege, ein Ziel

Um Geräte im Netzwerk oder mobile Geräte, die auf das Netzwerk zugreifen, zu verwalten, bietet sich für Unternehmen entweder Office 365 Mobile Device Management oder Microsoft Intune an. Ein Unterschied zwischen den beiden Lösungen besteht vor allem im Preis. Während das Device-Management zu vielen Abonnements in Office 365 gehört, muss Microsoft Intune gesondert abonniert werden. In diesem Beitrag stellen wir beide Ansätze vor.