EU-Rat plant Chatkontrolle mit Zustimmungszwang

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EU-Rat plant Chatkontrolle mit Zustimmungszwang

23.05.2024 - 09:06
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Die EU-Regierungen könnten bereits im Juni über die Einführung der umstrittenen Chatkontrolle entscheiden. Der Vorschlag wurde von der belgischen Innenministerin eingebracht und sieht vor, dass Nutzer von Kommunikations-Apps künftig per AGB oder Pop-up-Nachricht zustimmen müssen, dass alle verschickten Bilder und Videos automatisiert und verdachtslos gescannt werden. Diese Daten könnten dann an die Polizei weitergeleitet werden.

Der Vorschlag der belgischen Innenministerin Annelin Verlinden (CD&V) umfasst auch die Integration von Überwachungsfunktionen in bisher sicher Ende-zu-Ende verschlüsselte Messenger. Laut den belgischen Behörden soll die sogenannte "Uploadmoderation" sich jedoch vom "Client-Side Scanning" unterscheiden. Nutzer, die der Chatkontrolle nicht zustimmen, sollen weiterhin textbasierte Nachrichten senden können, jedoch keine Bilder und Videos mehr verschicken dürfen.

Die automatisierten Scanner-Algorithmen sollen sowohl bekanntes als auch unbekanntes, potenziell verdächtiges Material erkennen und melden. Eine Durchsuchung von Textnachrichten und Audiokommunikation ist nicht vorgesehen. Bei der Vorstellung des Vorschlags am 8. Mai äußerten sich mehrere zuvor kritische Regierungen wohlwollend. Am 24. Mai soll erneut über den Vorschlag beraten werden. Direkt nach der Europawahl treffen sich die EU-Innenminister, um möglicherweise die Chatkontrolle zu beschließen.

Millionen Fotos und Videos unter Generalverdacht

Der Europaabgeordnete Dr. Patrick Breyer, Mitglied der Piratenpartei und vehementer Gegner der Chatkontrolle, kritisierte den Vorschlag scharf. Er bezeichnete ihn als kaum verändert im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf der EU-Kommission und warnte vor einer massiven Einschränkung des digitalen Briefgeheimnisses. Breyer betonte, dass Millionen privater Chats und Fotos unbescholtener Bürger ohne Verdacht durchsucht und weitergeleitet werden sollen, was die Sicherheit der privaten Kommunikation gefährde. Er äußerte zudem Besorgnis darüber, dass kritische EU-Regierungen den Vorschlag unterstützen könnten, was die bisherige Sperrminorität gefährden würde.

Die geplante Chatkontrolle auf EU-Ebene ist ein kontroverses Thema, das seit Monaten intensiv diskutiert wird. Ziel der Maßnahme ist es, Kindesmissbrauch im Internet effektiver zu bekämpfen, indem Kommunikationsinhalte auf entsprechende Hinweise untersucht werden. Kritiker argumentieren, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen eine unverhältnismäßige Überwachung der privaten Kommunikation darstellen und grundlegende Rechte auf Datenschutz und Privatsphäre verletzen könnten. Befürworter hingegen sehen darin ein notwendiges Mittel, um den Schutz von Kindern im digitalen Raum zu verbessern.

Umgehung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung

Besonders umstritten ist das sogenannte "Client-Side Scanning", bei dem Inhalte direkt auf den Geräten der Nutzer gescannt werden, bevor sie verschlüsselt verschickt werden. Datenschützer warnen, dass dies die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, die bisher eine hohe Sicherheit für die Kommunikation bietet, aushebeln könnte. In der Praxis bedeutet dies, dass private Bilder und Nachrichten theoretisch von Dritten eingesehen werden könnten, was das Vertrauen in digitale Kommunikationsmittel erheblich beeinträchtigen könnte.

Widerstände gegen Chatkontrolle bröckeln

Die bevorstehende Entscheidung der EU-Innenminister wird daher mit großer Spannung erwartet, da sie weitreichende Folgen für die Privatsphäre und die Sicherheit der digitalen Kommunikation in der EU haben könnte.

Laut Breyer stünden die Chancen auf eine Einführung der Chatkontrolle zunehmend besser: "Mich alarmiert, dass bisher kritische EU-Regierungen die umverpackten Pläne loben und dadurch die bisherige Sperrminorität zu kippen droht. Die Bundesregierung schweigt und ist wegen der SPD-Innenministerin Faeser seit Monaten 'nicht sprechfähig' – dementsprechend bildet sie auch keine Allianzen mit anderen kritischen Staaten. Nicht einmal ein schriftliches Gutachten des Rechtsdienstes des Rates zu diesem offensichtlichen Grundrechtsverstoß ist bisher angefordert worden. Wenn die EU-Regierungen tatsächlich mit dieser radikalen Position zur Chatkontrolle in die Trilogverhandlungen gehen sollten, droht das Parlament hinter verschlossenen Türen erfahrungsgemäß seine Ausgangsposition schrittweise aufzugeben und sich auf schlechte und gefährliche Kompromisse einzulassen, die unsere Sicherheit im Netz auf Spiel setzen."

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