Bildungsmarathon: Azubi-Informatiker pendelt täglich fünf Stunden

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Bildungsmarathon: Azubi-Informatiker pendelt täglich fünf Stunden

05.09.2023 - 07:20
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Zum 1. September nehmen zahlreiche Jugendliche ihre Berufsausbildung auf. Für viele von ihnen ist dies ein Schritt voller Erwartungen, Hoffnungen und Chancen. Allerdings verläuft nicht jeder Ausbildungsweg so reibungslos, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Ein Beispiel ist der 19-Jährige Jonas Lohrmann aus Lutherstadt Wittenberg, der seit September 2021 eine Ausbildung zum Fachinformatiker für Systemintegration absolviert. Im Gegensatz zu der weitverbreiteten Vorstellung, dass die Berufsschule einem Urlaub gleicht, zeigt Jonas Geschichte eine andere Realität.

Trotz seiner Begeisterung für den Beruf und den erzielten Lernerfolgen, hat der junge Auszubildende mit einer besonderen Herausforderung zu kämpfen: dem Pendeln zur Berufsschule. Täglich legt er während der Berufsschulzeit eine Strecke von fast fünf Stunden Fahrzeit und über 180 Kilometer, um die berufsbildenden Schulen Gutjahr in Halle (Saale) zu erreichen. Über die letzten beiden Ausbildungsjahre hat er mehr als 22 Tage seines Lebens in öffentlichen Verkehrsmitteln verbracht.

"Der Pendelweg beansprucht mehr Zeit als die eigentliche Unterrichtszeit an einem sechsstündigen Schultag"“, kritisiert der Auszubildende im Gespräch mit IT-Administrator. Frühmorgendliche Aufstehzeiten von 4:00 oder 4:30 Uhr sind keine Seltenheit, um rechtzeitig am Unterrichtsort anzukommen. Diese Anstrengung hinterlassen nicht nur Spuren auf seiner Gesundheit, sondern beeinträchtigt auch seine Lernmöglichkeiten und -motivation.

Zwischen Büchern und Lautsprecherdurchsagen
Insbesondere während der Zugfahrten gibt es selten eine ruhige Atmosphäre, um in aller Ruhe zu lernen oder Hausaufgaben zu erledigen. Die Strecke, die Jonas zurücklegt, zieht nicht nur weitere Pendler an, sondern auch Festivalbesucher nach Ferropolis und Reisende auf dem Weg zur Ostsee.

Verspätungen und Zugausfälle sind fast an der Tagesordnung. Der direkte Zug von Halle (Saale) nach Lutherstadt Wittenberg fällt seit geraumer Zeit auf der Rückfahrt aus, was den jungen Berufsschüler zwingt, über Dessau einen Umweg zu nehmen. In seinem ersten Berufsschulabschnitt des dritten Ausbildungsjahres vom 17. August bis zum 1. September sind ganze vierzehn entscheidende Zugverbindungen gestrichen worden.

"Die Unsicherheit der Bahnfahrten macht es nahezu unmöglich, Termine zuverlässig zu planen", bekräftigt der Wittenberger. Als er im März den ersten Teil seiner Abschlussprüfung schrieb, übernachtete er aufgrund der mangelnder Verlässlichkeit sogar in einem Hotel in Nähe des Prüfungsortes.

Auf der Suche nach Unterstützung
Der Blick auf den Bildungsweg von Jonas Lohrmann offenbart vielfältige Herausforderungen, die das Bildungssystem und die Unterstützung für Berufsschüler in den Fokus rücken.

Der Nachwuchsinformatiker sieht insbesondere das Bildungsministerium in der Pflicht und fühlt sich in Bezug auf die Förderung seiner Ausbildungssituation stark vernachlässigt. "Während im ersten Ausbildungsjahr noch Fahrtkostenzuschüsse gewährt wurden, fielen diese im zweiten Jahr weg, da eine Übernachtung beispielsweise im Wohnheim gesetzlich vorgeschrieben ist. Pendler wie ich sind somit ab dem zweiten Jahr vom Förderungssystem ausgeschlossen, was die finanzielle Belastung weiter erhöht."

Jonas Lohrmann verbringt mehr Zeit in Bus und Bahn als in der Berufsschule
Jonas Lohrmann verbringt mehr Zeit in Bus und Bahn als in der Berufsschule

 

Technologische Lücken trotz neuer Prüfungsordnung
Die Schwierigkeiten hören hier jedoch nicht auf. Seit dem 1. August 2020 ist eine neue Prüfungsordnung für Fachinformatiker in Kraft getreten, die eine aktualisierte Wissensbasis erfordert. Doch trotz dieser hinkt der technische Stand der Berufsschule noch immer schätzungsweise etwa ein Jahrzehnt hinterher. Jonas beklagt "Der technische Wandel in der Schule hätte bereits vor Jahren stattfinden müssen, um auch mit der neuen Ausbildungsordnung eine zeitgemäße Ausbildung für junge Fachkräfte zu gewährleisten."

Auch wenn kürzlich die erwarteten Fördermittel für technische Modernisierungen kamen, war das aus seiner Sicht deutlich zu spät. Infolgedessen wird er nicht mehr davon profitieren, da sein letzter Schultag im April des nächsten Jahres bevorsteht und die Modernisierung bis dahin nicht abgeschlossen sein wird.

Doch fehlt nicht nur die moderne technische Ausstattung, sondern auch die passende Unterrichtslektüre. Bislang steht kein Buch zur Verfügung, das die Umsetzung der neuen Prüfungsverordnung ermöglicht. Das speziell auf die Anforderungen im dritten Ausbildungsjahr zugeschnittene Buch von Westermann wird voraussichtlich erst Ende September dieses Jahres verfügbar sein. Diese Verzögerung in der Bereitstellung von Lehrmaterialien wirft die Frage auf, wie die Auszubildenden in der Zwischenzeit angemessen auf die finalen Abschlussprüfungen vorbereitet werden sollen.

Die Vision für die Zukunft der dualen Ausbildung
Mit nachdenklichen Worten schließt Jonas das Gespräch "Die duale Ausbildung ist eine wertvolle Gelegenheit, sich praxisnah auf das Berufsleben vorzubereiten. Um sicherzustellen, dass diese Option auch zukünftig für junge Menschen attraktiv bleibt, müssen kurzfristig Lösungen gefunden werden. Mir persönlich liegt viel daran, dass die duale Ausbildung eine attraktive Wahl für junge Menschen neben dem Studium bleibt."

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